Folge: 1133 | 24. Mai 2020 | Sender: SWR | Regie: Friederike Jehn
Bild: SWR/Benoît Linder |
So war der Tatort:
In etwa so, als würde man Motive aus den Kinoklassikern Targets, Kill Bill und Stirb langsam – Jetzt erst recht mit Tatort-Folgen wie Direkt ins Herz, Ihr werdet gerichtet oder Querschläger kreuzen – aber am Ende ist Du allein trotz vieler toller Ansätze kein ganz großer Wurf.
Wie ihre Kollegen in den drei genannten Tatort-Folgen müssen die Hauptkommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) mit Unterstützung der LKA-Kollegin Dr. Andrea Botros (Isabel Schosnig, Verhängnisvolle Begierde) einem Sniper das Handwerk legen: In Stuttgart wurde eine Frau auf der Eingangstreppe zu ihrem Haus scheinbar wahllos erschossen, wenig später beißt ein scheinbar ebenso beliebig ausgewählter Jogger ins Gras – und während der Täter seine Taten vorab mit schlicht gehaltenen Schreiben ankündigt, sind die Kommissare bei der vermeintlichen Erpressung zunächst zum Zuschauen verdammt.
Bei der Geldübergabe, bei der sich Bootz auf dem belebten S-Bahnhof Feuersee umziehen und in die orangefarbene Montur eines Müllabfuhrmitarbeiters zwängen muss, kommt der Tatort dann auf Betriebstemperatur, doch wirklich weiter bringen die Bilder der Überwachungskamera die Kommissare nicht: Der Täter hat sich mitsamt seiner Waffe unter einem schwarzen Niqab verborgen – was „an diesem – Verzeihung – Kackbahnhof“ (Botros) aber wohl gar nicht nötig gewesen wäre. Der Mülleimer liegt nämlich außerhalb des Sichtfelds.
BOOTZ:
Womit mein Strip leider nicht für die Nachwelt überliefert wäre.LANNERT:
Was für ein Jammer.
Drehbuchautor Wolfgang Stauch (Leonessa) hat einige originelle Einfälle wie diesen in seinem soliden Skript platziert, aber ein wirklich packendes Katz-und-Maus-Spiel ist unter Regie von Tatort-Debütantin Friederike Jehn nicht daraus geworden.
Das liegt auch daran, dass die Täterfrage für den Zuschauer schon nach einer halben Stunde geklärt ist, wobei die Auflösung zumindest angenehm unkonventionell ausfällt: Beim Serienmörder handelt es sich nicht etwa um einen psychisch labilen, männlichen Klischee-Einzeltäter, sondern um Tamara Stuber (Katja Bürkle, Krieg im Kopf), die morgens im Tabak-und-Whiskey-Shop von Peter Jensch (Karl Markovics) vorbeischaut und recht sympathisch daherkommt. Schon nach der zweiten Tat ist sie für den Zuschauer an ihrem Pferdeschwanz zu erkennen, und nach 50 Minuten kennen wir auch ihr Motiv.
Bis zum Abspann hat der Film zu diesem Zeitpunkt aber noch stolze 40 Minuten vor sich und in der zweiten Filmhälfte geht das Tempo verloren: Während das Publikum längst um die Identität der Täterin weiß, tappen Lannert, Bootz und Staatsanwältin Emilia Alvarez (Carolina Vera bei ihrem letztem Tatort-Auftritt) noch im Dunkeln – und die 1133. Tatort-Folge lebt allein von der Frage, ob noch weitere Menschen sterben werden.
Ähnlich wie im Frankfurter Tatort Das letzte Rennen hätte daraus noch ein dynamischer Wettlauf gegen die Zeit werden können, doch so richtig besorgt wirkt in diesem Tatort nur Bootz. Während Lannert die Ruhe weg hat und sich recht stoisch durch den Krimi schleppt, bringt der von seiner Frau Julia (Maja Schöne) getrennt lebende Kommissar sie und die Kinder in Sicherheit. Alvarez muss sich derweil mit der furchtbar künstlich schwäbelnden Staatssekretärin (Marietta Meguid, Damian) herumschlagen, die eine Panik in Stuttgart verhindern will – das hat man in der Krimireihe schon origineller und authentischer gesehen.
Der wohldosierte Soundtrack suggeriert indes Dynamik, während die Inszenierung eher nüchtern gehalten ist – wirklich stimmungsvoll werden Musik und Bilder nur, wenn die Vorgeschichte von Stuber und ihrem Liebhaber illustriert und vertont wird, die in diesem Tatort der Schlüssel zum Tatmotiv ist. Während dessen Gattin Stefanie Beck (Maja Beckmann, Die Nacht gehört dir) den Kommissaren Einblicke in ihr Seelenleben gestattet, erfahren wir über die Mörderin relativ wenig – eine nicht ganz glückliche Gewichtung bei der Charakterzeichnung, die ihren Teil zum etwas enttäuschenden Gesamteindruck beiträgt.
„Manchmal kriegt man auch beim Fußball ’n Gegentor, ohne dass man einen Fehler gemacht hat“, zieht LKA-Kollegin Botros ein neunmalkluges Fazit – Du allein fühlt sich nach dem tollen Auftakt aufgrund der zähen Umsetzung der so vielversprechenden Ausgangssituation im Schlussdrittel aber eher wie eine vergebene Torchance an, bei der man den Ball nur kraftvoller über die Linie hätte drücken müssen.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Gefangen“
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