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Das Gespenst

Folge: 726 | 15. März 2009 | Sender: NDR | Regie: Dror Zahavi

Bild: NDR/Christine Schroeder

So war der Tatort:

Sehr viel weniger gespenstisch, als der Titel vermuten lässt. 
Statt übernatürlichen Erscheinungen dreht sich Das Gespenst nämlich um sehr reale Attentäter – und die sorgen einleitend am Hannover Airport für die erste Leiche des Films. Ein silberner Golf im absoluten Halteverbot und Polizeimeister Karl Hegemann (Niels Bormann, Vergessene Erinnerung), der eine Personenkontrolle durchführen will, sind zunächst alles, was es für den Mord im 14. Fall für Hauptkommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) braucht: Hegemann wird vor den Augen Dutzender Augenzeugen erschossen.
Sämtliche Aufzeichnungen der Überwachungskameras am Flughafen sind zwar auf mysteriöse Weise verschwunden, doch kennen nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Polizei innerhalb kürzester Zeit das Gesicht der Schützin: Es ist niemand Geringeres als Lindholms alte Jugendfreundin Manu Seehausen (Karoline Eichhorn, Stille Tage).
Obwohl eigentlich klar ist, dass Seehausen die Täterin ist, wird sie aus Mangel an Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt – der Verfassungsschutz hat in Person von Klaus Ritter (Hansa Czypionka, Ruhe sanft) seine Finger im Spiel und möchte weder, dass Seehausen hinter Schloss und Riegel wandert, noch, dass Lindholm ihre Nase weiter in diese Angelegenheit steckt. Eine Angelegenheit, die selbstverständlich größer ist, als man zunächst annimmt: Es geht um ein geplantes Attentat auf ein afrikanisches Staatsoberhaupt.
Lindholm hat also alle Hände voll zu tun und muss sich privat auch noch mit ihrem anhänglichen Verehrer Edgar Strelow (David Bott) herumschlagen, der sie bereits in Erntedank e.V. und Salzleiche heftig anschmachtete und diesmal erste Erfolge verbucht. Dann sind da die passiv aggressiven Kommentare ihres Mitbewohners Martin Felser (Ingo Naujoks) und ihrer Mutter Annemarie (Kathrin Ackermann) sowie eine ordentlich Portion Mansplaining, als Felser ihr einen Fund in der frisch renovierten Wohnung erläutert – ganz so, als wüsste Lindholm das nach jahrelanger Polizeiarbeit nicht selbst.

FELSER:
Was ist das denn? Charlotte, das ist ’ne Wanze! Damit hört man Leute ab. Weißt du, wie teuer das Ding ist? Das ist Spitzenqualität. Das ist Profi-Ausrüstung!


Für die 726. Tatort-Folge inszeniert Dror Zahavi (Franziska) ein Drehbuch von Stefan Dähnert, der einige Jahre später auch die Lindholm-Doppelfolge Wegwerfmädchen und Das goldene Band konzipiert – und ihre Geschichte funktioniert diesmal nicht nach dem altbekannten Whodunit-Prinzip. Weil der Hauptkommissarin auf offiziellem Weg die Hände gebunden sind, konzentriert sich die Erzählung auf ihre Beziehung zu Manu Seehausen. 
Die Kontrahentinnen auf Augenhöhe teilen wesentlich mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick vermuten möchte. Eine reizvolle Konfrontation, die nach rund zwei Dritteln des Krimis einen ersten Höhepunkt findet: Die beiden Frauen treffen sich buchstäblich in Lindholms Badewanne, mitten in ihrer Wohnung, die eine einzige Baustelle ist. Eine etwas absurde, aber gelungene Szene, in der schön sichtbar wird, wie schmal der Grat ist, der die gegenseitige Abneigung und Nähe voneinander trennt.
Erfreulicherweise gelingt den Filmemachern in Das Gespenst auch der Ausbruch aus den üblichen Klischees, die im Hannover-Tatort sonst häufig zu beobachten sind: Anstatt eines wenig brauchbaren Dorfpolizisten (vgl. Märchenwald oder Schwarzes Herz) steht Lindholm diesmal Hauptkommissar Pritt (Stephan Benson, Verlorene Töchter) zur Seite, der sich im Laufe der Ermittlung als durchaus hilfreich herausstellt. Ein eher klassisches und schon häufig bemühtes Krimimotiv ist hingegen der Konflikt zwischen Kriminalpolizei und Verfassungsschutz, bei dem die Grenzen zwischen Gut und Böse, richtig und falsch zunehmend verschwimmen.
Besonders das Finale des 726. Tatorts ist aber spannend inszeniert und ansprechend gefilmt, spielt in verschiedenen Einstellungen mit klaren Linien und mit Licht und Schatten. Ansonsten finden sich hier wieder filmische Mittel, die bereits im künstlich überhöhten Finale des packenden Vor-Vorgängers Atemnot eingesetzt wurden: Aufnahmen in Zeitlupe, gepaart mit dramatischem Soundtrack – leider auch in Szenen, die das eigentlich nicht nötig hätten, weil sie schon allein von den Emotionen der Figuren getragen werden.
Insgesamt geht der Film nicht nur als Krimi durch, sondern auch als ausführliche Charakterstudie der LKA-Kommissarin – und obwohl das in Das Gespenst deutlich besser als in anderen Tatort-Folgen aus Niedersachsen gelingt, hätte weniger Privatleben an manchen Stellen nicht geschadet.
Bewertung: 6/10

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