Folge 1192
6. März 2022
Sender: WDR
Regie: Sven Halfar
Drehbuch: Astrid Ströher
So war der Tatort:
Außerirdisch angehaucht – und unterirdisch schlecht.
In der Erfolgsgeschichte des Münster-Tatorts, der bei seinen TV-Premieren rund 14 Millionen Menschen vor die Fernseher lockt, hat es schon einige Enttäuschungen gegeben – müde Nummernrevuen wie Rhythm and Love, dünne Zookrimis wie Schlangengrube oder seichten Krankenhausklamauk wie Mord ist die beste Medizin etwa. Den bisherigen Tiefpunkt bildete zweifellos das Fäkalienfeuerwerk Das Wunder von Wolbeck – doch selbst dieser peinliche Rohrkrepierer von 2012 wird im Jubiläumsjahr 2022 noch einmal unterboten.
Propheteus ist nämlich der schlechteste Tatort, der bis dato mit Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), die ihr Debüt 2002 in Der dunkle Fleck gaben, auf Sendung ging – und zugleich der mieseste Sonntagskrimi seit den kolossal gefloppten Ludwigshafener Impro-Folgen Babbeldasch und Waldlust, die 2017 und 2018 nicht nur beim Publikum, sondern auch bei der Filmkritik sang- und klanglos durchfielen.
Die (w)irre Geschichte aus der Feder von Astrid Ströher (Saras Geständnis) ist schon nach wenigen Minuten kaum noch zu ertragen, wenngleich die satirisch angelegte Krimikomödie unter Regie von Tatort-Debütant Sven Halfar vielversprechend startet: Der Selbstmordattentäter Udo Kayser (Matthias Komm, Benutzt) stürmt mit einer Sprengstoffweste ins Präsidium und nimmt dort zunächst Thiel und Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann), dann schließlich Thiel und (natürlich) Boerne als Geisel – stürzt aber vom Dach des Präsidiums, weil ein kleiner Hund namens „Banane“ ihn todesmutig anspringt, ins Bein beißt und aus der Balance bringt.
Mit diesem in Zeitlupe eingefangenen Kommissar-Rex-Moment und Kaysers Sturz in den Tod stürzt auch der Film ab – zum einen in ein Spannungsloch, aus dem er sich nie wieder befreit, zum anderen in einen Ozean aus nervtötenden Dialogen, bei denen sich die Ermittler mit abenteuerlichen Gedankenspielen um außerirdische (!) Reptiloide (!!) herumschlagen, die angeblich die gesamte Menschheit versklaven (!!!). Zumindest, wenn es nach Verschwörungserzählerinnen wie Saskia Georgij (Nadia Migdal) geht, die sich mit dem ermordet aufgefundenen IT-Experten Magnus Rosponi auf eine Affäre eingelassen hat und die zwischenzeitlich alles abstreitet.
Es hilft wenig, dass neben dem humorlosen Thiel auch der eitle Boerne, dessen (Überraschung!) persönlich mit dem Toten bekannte Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) und der Nadeshda-Krusenstern-Nachfolger Mirko Schrader (Björn Meyer) wenig für das abstruse Geschwurbel übrig haben – und es überrascht genauso wenig, dass sich der dauerkiffende und dem Esoteriker-Milieu zuzuordnende Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus-Dieter Clausnitzer) da nicht ganz so sicher ist.
Der Münster-Tatort läuft einmal mehr auf Autopilot, doch weiß er diesmal zwei zusätzliche Figuren in seinen Reihen, die beim Wettbewerb der nervtötendsten Charaktere in der über 50-jährigen Geschichte der Krimireihe ein heißer Anwärter für einen Platz auf dem Podium sind: Herr Muster (Melanie Reichert) und Frau Mann (Daniela Reichert), zwei außerirdisch angehauchte Comicfiguren aus Fleisch und Blut, die vom Landesamt für Verfassungsschutz geschickt, vom Drehbuch mit furchtbar witzlosen Nachnamen und von der Kostümabteilung in Men-in-Black-Montur und selten dämliche Perücken gesteckt wurden.
Natürlich ist nichts an diesen wandelnden Karikaturen ernst zu nehmen, aber Thiel und Boerne tun einfach 90 Minuten lang so, als säßen ihnen da echte Menschen gegenüber, vor denen sie etwas zu befürchten hätten – echte Menschen, die wie Cosplayer aussehen, synchron auf dem Absatz kehrt machen und mit piepsiger Stakkato-Stimme sprechen. Was. Zur. Hölle.
Wer da am Ende den IT-Experten ermordet und den Sprengstoffattentäter radikalisiert hat, welche Auflösung sich die Filmemacher für diesen anstrengenden Reigen der Aluhut-Absurditäten und völlig bescheuerten Figuren überlegt haben, spielt praktisch keine Rolle – viel wichtiger scheint den Filmemachern zu sein, dass noch einmal gemeinsam gebowlt und möglichst viel Hunde-Content in ihrem witzlosen Machwerk platziert wird. Und dass sich Thiel und Boerne, die nach ihrem kurzen Geduze im sehenswerten Vorgänger Des Teufels langer Atem (natürlich) wieder per Sie sind, noch einmal lallend mit Rotwein betrinken.
Das ist nicht nur nicht originell, das ist dreist. Denn auch das hat es schon mehrfach gegeben, etwa in Zwischen den Ohren und zuletzt in Rhythm and Love – und trotzdem erreicht auch dieser bemerkenswert miserable Tatort wieder mühelos die achtstellige Einschaltquote, von der andere Teams nur träumen können. Diesmal ist es nicht zu begreifen – dass Münster es (immer noch) deutlich besser kann, hat Limbus im Jahr 2020 bewiesen.
Bewertung: 1/10
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