Folge 1303
11. Mai 2025
Sender: Radio Bremen
Regie: Franziska Margarete Hoenisch
Drehbuch: Judith Westermann
So war der Tatort:
Kämpferisch.
Die Bremer Ermittlerinnen Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) und Linda Selb (Luise Wolfram) duellieren sich bei ihrem siebten gemeinsamen Einsatz nämlich beim Krav Maga – wobei diese Kämpfe zum Ärger von Selb nicht so ausgehen, wie man das angesichts der ungleichen Statur der beiden vielleicht vermuten würde. Moormann zeigt ihrer Kollegin die Grenzen auf und gerät in diesem Krimi auch mehrfach verbal mit ihr aneinander.
Eine andere Frau kämpft sich in Solange du atmest – passend zur TV-Premiere am Muttertag 2025 – durch ihr ganzes Leben, statt sich nur auf der Kampfsportmatte zu verausgaben: Die alleinerziehende Rani Ewers (Via Jikeli) hat ihren Job verloren und könnte die Betreuung ihrer achtjährigen Tochter Mia Ewers (Pola Friedrichs) ohne die Unterstützung ihrer treuen Mitbewohnerin Paula Södersen (Sarina Radomski, Niedere Instinkte) kaum stemmen. Als der Investigativjournalist Marek Kolschak (Jonathan Berlin, Borowski und das ewige Meer), der sie gestalkt hat, tot am Weserstrand angespült wird, fällt der Verdacht schnell auf sie.
Regisseurin Franziska Margarete Hoenisch (Avatar) und Drehbuchautorin Judith Westermann, die ihr Debüt für die Krimireihe gibt, erzählen vordergründig einen klassischen Whodunit. Auf der zweiten Ebene installieren sie hinter dem Rücken des Ermittlerduos mit dem Schicksal von Rani Ewers, die aus Angst vor Stalking unter falscher Adresse lebt und auch ihren Kleingarten vor ihren Mitmenschen geheim hält, noch eine weitere Antriebsfeder der Geschichte. Was macht das mit einem, wenn man in pausenloser Angst um sich selbst und die eigene Tochter lebt?
Zweifellos ein wichtiges Thema, doch wirklich neue Facetten gewinnen sie weder dem Schicksal alleinerziehender Mütter noch dem Stalking ab: ein paar Allgemeinplätze, etwas Betroffenheit und ein Wortwechsel zwischen Moormann und Kolschaks undurchsichtigem Medienkollegen Benno Falk (Julian Greis) – das war’s dann auch schon.
Inhaltliches Neuland betritt der 1303. Tatort ohnehin nicht; zuletzt richtete 2023 der Mainzer Abschiedstatort Aus dem Dunkel den Scheinwerfer auf das strafrechtlich nach wie vor vernachlässigte Problem. Auch sonst setzen die Filmemacherinnen allein auf Mechanismen, die es in Sonntagskrimis schon oft gab – etwa die kauzige Rechtsmedizinerin Edda Bingley (Helen Schneider), die über das schlechte Essen ihres Mannes mault, Befragungen nach dem Wo-waren-SIE-denn-eigentlich-zur-Tatzeit-Prinzip oder die erwähnten Reibereien zwischen Moormann und Selb. Solide anzuschauen, aber selten originell, phasenweise gar anstrengend.
Angereichert wird das Ganze mit reißerischen Motiven aus dem Horrorgenre: Plötzliche Jump-Scares, wackelige Flashbacks in Ego-Shooter-Perspektive und eine falsche Fratze der Freundlichkeit, die sich auf der Zielgeraden als Maskerade entpuppt – durchaus wirksame, aber altbekannte Stilmittel. Alfred Hitchcock hätte dennoch Gefallen an diesem Tatort gefunden, denn ähnlich wie beim Master of Suspense werden für den Handlungsverlauf und die Auflösung wichtige Details – etwa der Kronkorken eines Nachtclubs oder eine Einladungskarte zu einem Frühlingsfest – derart deutlich von der Kamera eingefangen, dass wir ganz sicher sein können, dass beides noch eine wichtige Rolle spielen wird.
So leidet Solange du atmest als Krimi an Vorsehbar- und als Thriller an Einfallslosigkeit beim Erzeugen von Spannung, und auch das Drehbuch dreht ein paar unnötige Schleifen: Die Identität des Toten etwa wird erst verschleiert, Minuten später aber schon aufgelöst – und als Moormann Ewers zur Fahndung ausschreibt, läuft diese Sekunden später einer Streife in die Arme, ehe die Suche nach der Hauptverdächtigen überhaupt begonnen hat. Und hätte Selb sich ein wichtiges Geldautomatenvideo nicht erst am Ende, sondern schon zu Beginn des Films intensiver angeschaut, wäre der Tathergang schneller nachvollzogen gewesen.
Auch die Figuren hieven den Krimi diesmal nicht über das Mittelmaß hinaus: Selbs gewitzte One-Liner, sonst bisweilen der Fels in der Brandung schwächelnder Drehbücher, lassen sich an zwei Fingern abzählen. Ohnehin wirkt vieles im Polizeipräsidium hölzern. Auch Moormanns großes Interesse an ihrer inhaftierten Schwester Marie (Luisa Böse) und Selbs Kontaktaufnahme zu eben dieser liest sich so, als müsse der in Donuts begonnene Horizontalstrang unbedingt weitererzählt werden – dass er wirklich ein Gewinn für die Krimis aus dem kleinsten deutschen Bundesland ist, muss er allerdings noch beweisen.
Bewertung: 5/10
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