Folge: 1233 | 16. April 2023 | Sender: NDR | Regie: Neelesha Barthel
Schwarz.
Denn den zwölften gemeinsamen Tatort der in Hamburg ansässigen Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) zeichnet eine Besonderheit aus, die es in der zunehmend divers besetzten Krimireihe bis dato noch nicht gegeben hat: Verborgen ist der erste Tatort, in dem es mehr schwarze Schauspielende gibt als weiße. Und das nicht nur bei den Rollen mit Text, sondern auch bei den Komparsen und Kleindarstellern.
Schon im auffallend bunt besetzten und streng nach dem
Inclusion-Rider-Prinzip gedrehten Vorgänger
Schattenleben setzte der NDR in Sachen Diversität ein dickes Ausrufezeichen – scheiterte aber beim Bestreben, das Ganze auch in einen spannenden und glaubwürdigen Krimi umzumünzen. Unter Regie von Neelesha Barthel, die die Tochter einer indischen Mutter und eines deutschen Vaters ist, liegt der Fall diesmal ähnlich: So sehr die Geschichte der Drehbuchautorinnen Julia Drache und Sophia Ayissi Nsegue, die den Vor-Vor-Vorgänger
Tödliche Flut produzierte und selbst zu den
People of Color zählt, auch als Migrationsstudie und Schleuserdrama überzeugt, tut er es als Krimi nur bedingt.
Die Bundespolizei, die beim Einsatz in Hannover sporadisch von ihrem Kollegen Büchner (Philipp Baltus,
Der Fall Holdt) unterstützt wird, muss in
Verborgen auch gar keinen Mörder finden: Ein offenbar von Schleusern in einen LKW verfrachteter junger Afrikaner ist durch einen Herzinfarkt ums Leben gekommen. Das klärt sich bereits nach wenigen Minuten. Allein seine Identität bleibt lange Zeit offen. Gleichzeitig wird ein weiterer Teenager vermisst, der sich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft nach England absetzen wollte und dessen Verschwinden die Antriebsfeder der Handlung ist: Noah Makoni stammt wie seine besorgten Eltern Jon (Alois Moyo,
Verbrannt) und Hope (Sheri Hagen,
Das Gespenst) aus Simbabwe und hielt sich ohne Papiere in Deutschland auf.
In Zeiten der
Black-Lives-Matter-Bewegung tauchen Falke und Grosz daher in die Welt der schwarzen Communities und Schwarzarbeit ein, in die Welt der zerplatzten Träume und geschundenen Seelen, in die Welt der Unsichtbaren und Geduldeten. Die Bundespolizisten besuchen lebhafte Gottesdienste, kosten vom simbabwischen Nationalgericht Sadza oder hören sich in der medizinischen Beratungsstelle von Simone Kemper (Rebecca Rudolph) um, in der man auch ohne Ausweis und Krankenversicherung Rezepte bekommt. Und sie haben wie das Gros der Fernsehzuschauer wohl allenfalls eine Ahnung davon, was es eigentlich heißt, als geflüchteter Mensch in Deutschland zu leben.
GROSZ:
Wenn wir alle so scheiße sind, warum sind Sie denn noch hier?
HOPE:
Gehen Sie zurück, wenn Sie keine Arbeit haben? Wenn Sie Ihrem Kind kein Essen kaufen können? Angst haben um Ihr Leben? Es ist nicht immer alles so einfach, wie ihr glaubt.
Entlarvende Dialoge wie dieser, seichte Momente der Völkerverständigung und bedrückende Einblicke in den Alltag der Makonis oder des in der Gastronomie arbeitenden Sam (Ben Andrews Rumler) ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film. Die Geflüchteten übernehmen die oft lausig bezahlten Jobs, die in Zeiten des Fachkräftemangels kaum jemand machen will: putzen, Teller spülen, buckeln auf dem Bau und im Großmarkt. Das Ansinnen der Filmemacherinnen, unseren Blick für die Lebensrealität vieler Geflüchteter zu schärfen, ist greifbar. Ihre Geschichte ist zwar etwas steif und formelhaft, aber doch beklemmend arrangiert. Und der Cast überzeugt.
Als klassischer Sonntagskrimi ist der 1233. Tatort allerdings eine Enttäuschung, denn überraschende Wendungen und der Thrill bleiben klar auf der Strecke. Kaum einmal schlägt das Spannungsbarometer nach oben aus – nicht einmal bei einer stimmungsvoll vertonten, nächtlichen Überwachungsaktion in einem Speditionsbetrieb, die allzu schnell wieder beendet ist. Auch die Auflösung der Täterfrage – besser gesagt der Frage, wer für Noahs Verschwinden verantwortlich ist – lässt sich erschreckend leicht beantworten. Wer sich so auffällig unauffällig benimmt und nur für einen seltsam kurzen Moment in den Plot geschrieben wurde, der hat ganz sicher etwas auf dem Kerbholz.
Wer des Englischen nur bedingt mächtig ist, muss zudem eine Reihe an untertitelten Szenen in Kauf nehmen – das stößt auch beim meist sehr sehenswerten,
deutsch-polnischen Polizeiruf 110 häufig auf Kritik, ist der Authentizität des Geschehens aber dienlich. Dann wiederum gibt es Szenen, in denen sich der verzweifelte Jon und seine Ehefrau Hope ohne Anwesenheit der Bundespolizisten in gebrochenem Deutsch miteinander unterhalten. So richtig stringent ist das nicht. Grosz wiederum glänzt mit Französischkenntnissen, während sich Falkes Vorliebe für Milch – pünktlich zum 10-jährigen Dienstjubiläum (erster Einsatz 2013 in
Feuerteufel) – bis nach Hannover herumgesprochen hat.
Bewertung: 5/10
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