Bild: Das Erste

In seinen Augen

Folge: 1206 | 26. Juni 2022 | Sender: SWR | Regie: Tim Trageser

Bild: SWR/Daniel Dornhöfer
So war der Tatort:
Genauso enttäuschend wie die Vorgänger – und das nicht nur in Bezug auf die ebenfalls im Juni 2022 ausgestrahlten Tatort-Folgen Schattenleben aus Hamburg und Flash aus München, die hinter den Erwartungen zurückblieben, sondern auch in Bezug auf die ersten drei Folgen mit Hauptkommissarin Ellen Berlinger (Heike Makatsch).
Nach ihrem von Publikum und Feuilleton gleichermaßen vielkritisierten Solo-Erstling Fünf Minuten Himmel, der noch in Freiburg spielte, sowie den in Mainz verorteten und ähnlich missglückten Nachfolgern Zeit der Frösche und Blind Date geht die England-Rückkehrerin zum dritten Mal mit ihrem Kollegen Martin Rascher (Sebastian Blomberg) auf Täterfang – doch der Durchbruch will den beiden auch diesmal nicht gelingen.
In seinen Augen ist vielmehr eine dieser Tatort-Folgen, bei denen sich schon nach Minuten offenbart, dass aus diesem Krimi kein Glanzstück mehr wird: Unter Regie von Tim Trageser (Roomservice) schließt sich an den kurzen Prolog in einem Tierkrematorium eine hölzern arrangierte Verfolgungsjagd per pedes an, die in ihrer biederen Inszenierung beinah dem Vorabendprogramm entsprungen zu sein scheint. Auch in den folgenden eineinhalb Stunden vermag sich der Tatort selten auf überzeugendes Sonntagabendniveau zu steigern. 
Dennoch ist etwas wirklich Positives zu erwähnen, das es im deutschen TV-Programm viel zu selten zu sehen gibt: Mit der reichen Witwe Bibiana Dubinski (Ulrike Krumbiegel, Liebeswut), die nach einem Insulinschock das Zeitliche segnet, und ihrer besten Freundin und Alleinerbin Charlotte Mühlen (Michaela May, Kesseltreiben), zählen gleich zwei Frauen jenseits der 60 zum Hauptcast – und dürfen vor der Kamera sogar ihre Sexualität ausleben. Eine Steilvorlage für das Ermittlerduo, im Präsidium mit männlichem Irrglauben aufzuräumen.

RASCHER:

In welchem Alter hört das sexuelle Verlangen eigentlich auf?

BERLINGER:

Hört es je auf?


RASCHER:
Vielleicht geht es irgendwann eher um die Sehnsucht nach Geborgenheit, Zärtlichkeit, Vertrauen…

BERLINGER:

Sex bleibt Sex.


Trotz dieses Lichtblicks im Drehbuch von Thomas Kirchner (Das schwarze Grab) ist der 1206. Tatort von Beginn an eine verkorkste und ziemlich zähe Angelegenheit. Schon die ersten 15 Minuten gestalten sich aufgrund des seltsamen Arrangements aus Prolog, zweiwöchigem Zeitsprung und anschließendem Rückblick (!) unnötig unübersichtlich. Weder wird der Film durch diese sinnlose Verschachtelung spannender, noch interessanter. 
Und er wird in der Folge auch nicht besser: Wenngleich sich der Erzählfluss zunehmend stringent gestaltet, vermag sich der Tatort kaum von den Standardmomenten der Krimireihe zu lösen. Da ist zum Beispiel eine (wie immer) unsympathische Juristin: Staatsanwältin Jasmin Winterstein (Abak Safaei-Rad, Was wir erben) rasselt auf Knopfdruck mit Berlinger aneinander. Die Begegnung ihrer pubertierende Tochter Nele (Virginia Obiakor) mit Berlinger ist natürlich kein Zufall. Und der Klischee-Knacki Hannes Petzold (Klaus Steinbacher), hat es auch noch nach seiner Entlassung – wie könnte es anders sein – auf die Bankkonten der weiblichen Ü60-Fraktion abgesehen.
Klischees lassen sich im Tatort aufgrund der kurzen Spieldauer nicht immer vermeiden, schlechte Dialoge hingegen schon. Und die gibt es an allen Ecken und Enden: Rascher langweilt mit Exkursen ins Strafprozessrecht, Berlinger mit aufgesetzten Selbstzweifeln, die sie ihrer Cousine Maja Ginori (Jule Böwe) preisgibt. Das allgegenwärtige Overacting und die am Reißbrett entworfenen Debatten zwischen Petzold und seinem drogensüchtigen Sohn Enrico Thiele (Linus Moog) lassen sich hingegen irgendwo zwischen Reality-Soap-Diktion und nervtötenden Vater-Sohn-Reibereien verorten: „Du hast stillgehalten und gehofft, ein paar Brocken abzukriegen!“ – so redet im Jahr 2022 doch kein 16-Jähriger.
Auch schauspielerisch kann der vierte Makatsch-Tatort nicht überzeugen – wäre da nicht die großartige Michaela May, die nach Kräften gegen den Kitsch der lauen Knacki-Romanze anspielt, wäre In seinen Augen eine noch größere Enttäuschung geworden. Auch die Auflösung der Täterfrage ist keine Überraschung. Zumindest gipfelt der Krimi aber in einem fiebrigen, wenn auch konstruierten Finale, das ein Stück weit für die Längen im Mittelteil entschädigt und ein weiteres Mal ins Haus der Staatsanwältin führt. Die ganz große Spannung will aber selbst hier nicht (mehr) aufkommen – hätte die Spurensicherung von Beginn an besser hingeschaut, wäre nämlich alles ganz anders gekommen.
Bewertung: 4/10

😒 „Nicht mehr so zufrieden“: Dieser Tatort-Kommissar steigt aus


Kommentare

25 Antworten zu „In seinen Augen“

  1. Avatar von Anonym

    Ulrike Krumbiegel ist im Dezember 1961 geboren. Wenn der Tatort im letzten Jahr gedreht wurde, war sie da gerade erst einmal 59 Jahre alt. Somit finde ich "jenseits der 60" etwas übertrieben

  2. Avatar von Anonym

    War vielleicht jetzt kein brillianter zum Nägelbeißen anregender Tatort, aber eine Wohltat gegen den Psychoscheiß der letzten Folgen. Normale Menschen mit normalen Bedürfnissen und vielleicht etwas schrägen Vorlieben. Kommt auf den Standpunkt an. Und auf den Täter bin ich tatsächlich nicht gekommen. Twist wie in vielen Schwedenkrimis.

  3. Avatar von Anonym

    Realistisch muss nicht sein. Ich fands gut. Auch den – realistischen – Bezug auf Sars Cov Impfschäden am Anfang. Knapp und unaufdringlich ein Zeitdokument erstellt. Und ich fand auch nicht vorhersehbar,dass es der Sohn war und gut, dass Berlinger so unsympathisch wurde mit ihren Grenzüberschreitungen Rixhtig oder falsch war nicht eindeutig- auch das ganz realistisch

  4. Avatar von Anonym

    Schade um die Zeit. Hatte mich auf die Sendung gefreut….

  5. Avatar von Anonym

    Das Ermittlerteam ist unerträglich, besonders Heike Makatsch als quengelnde, zickige Kommissarin ist eine Katastrophe. 2 von 10 Punkten.

  6. Avatar von Anonym

    Wieder mal absurder Unsinn.
    Miese Recherche über die Diabetes Erkrankung.
    Der junge Täter kennt zufällig die Tochter der Staatsanwältin und entführt diese ganz einfach !!!
    Der Täter kennt sich aus mit der Wirkung von Insulin und die Tote lässt sich einfach in den Bauch spritzen. Es ist das allerletzte was uns momentan als Tatort geboten wird.
    Autoren und Programmverantwortliche gehören ausgetauscht.

  7. Avatar von Anonym

    Leute Leute, und wieder ein Tatort leider verissen – meine Frau und ich nach 15 Minuten: Wegschalten- wird nichts… schade, scheint ja überwiegende Meinung.

  8. Avatar von Anonym

    Die ersten 15 Minuten waren Blödsinn,
    den Rest habe ich mir erspart. War bestimmt die richtige Entscheidung.

  9. Avatar von Anonym

    Der Satz von oben, "der nicht besonders gut aussehenden Staatsanwältin" ist unsachlich und hat in einem Kommentar nichts verloren. Meine Frau, 2 Freunde und ich fanden den Tatort gut. Da gab es schon viel schlechtere

    1. Avatar von Anonym

      Dann sind Sie ja schon 3 Fans mehr.

  10. Avatar von Anonym

    Einfach nur schlecht! Schade um die Sendezeit.
    Bea

  11. Avatar von Anonym

    einfach nur schlecht! Ich werde mir keinen Tatort vom NRW mehr ansehen.

  12. Avatar von Anonym

    Die Tote war ja soooo schwer krank, kein Wunder, dass es womöglich Suizid war (Diabetes).
    Bei einem zu hohen Blutzuckerwert, den man idR nicht mal großartig merkt, bricht sie fast zusammen. Und die Kommissarin fragt, in der Vernehmung seit wann die Befragte von "ihrer Diabetes wusste". Ist es so schwierig, ein paar Fakten über diese Erkrankung richtig hinzubekommen?

  13. Avatar von Anonym

    wo ist mein Kommentar ?

  14. Avatar von Anonym

    Vollkommen sinnlos und keinesfalls ein Krimi, ein weiterer mißglückter "Tatort" .
    Tatort einstellen, schade um das viele Geld für Nonsens zur Primetime.

  15. Avatar von Anonym

    Ich kann die obige Film-Kritik so bestätigen. Allerdings nur für die ersten 15 Minuten – länger haben wir die getelzte Schauspielerei nicht ausgehalten!

  16. Avatar von Anonym

    Was macht denn eine Kommissarin im Einsatz mit der Umhängetasche von Lehrer Specht? Täterverfolgung demnächst in politisch korrekten veganen Ökolatschen mit dem Lastenrad?
    Und wenn Du nach jedem Tatort denkst es geht nicht schlimmer, kommt ein neuer T., und du wirst eines Besseren belehrt.

  17. Avatar von Anonym

    Ich fand den Tatort sehr gut.Tolle Schauspielerinnen und auch die Rückblenden fand ich passend und keineswegs verwirrend, wie in der Kritik angekündigt. Es muss nicht immer geballert werden.

  18. Avatar von Anonym

    Endlich wieder gute Abendunterhaltung, tolle Schauspieler(innen), glaubwürdige Geschichte.
    Wir fühlten uns gut unterhalten!

    1. Avatar von Anonym

      Bei allem Respekt, entweder Sie sind im falschem Film oder arbeiten bei der ARD. Neben auffallenden schauspielerischen Mängeln einiger Darsteller patzt dieser Tatort leider in seiner Handlungsdynamik. Die Plumpheit und Vorhersehbarkeit des Hergangs nehmen den ersten 70 Sendeminuten jegliche Spannung, zum Leidwesen des Filmfinales, welches sich mit überschlagenden Ereignissen als völlig überzogen darstellt.

    2. Avatar von Anonym

      Sie wiederholen sich ! Das war endlich mal wieder ein normaler, „unspannender“ Tatort, den man nachvollziehen konnte. Sie mögen sich gerne als Spezialisten sehen, ich seh in ihnen eher den „Oberlehrer“

  19. Avatar von Anonym

    Nervtötend auch das sture Gekreische der nicht besonders gut aussehenden Staatsanwältin und das wiederholte "der fall ist abgeschlossen – nein – doch…" muss ein krimi denn so überwiegend aus Streitereien der ermittelnden Personen bestehen
    7

  20. Avatar von Anonym

    Lächerlich ! Wird jede Woche schlechter . Heike M wirklich in einer schlechten Rolle. Aufhören wäre besser .

  21. Avatar von Anonym

    Niemals mehr Tatort

  22. Avatar von Anonym

    RTL2 Niveau

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert