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Ausgezählt

Folge: 1099 | 16. Juni 2019 | Sender: SRF | Regie: Katalin Gödrös

Bild: SRF/ARD Degeto/Daniel Winkler

So war der Tatort:

Weit weniger „easy“, als es die hölzernen Dialoge zwischen den Luzerner Hauptkommissaren Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) vermuten lassen.

Der inflationäre Gebrauch des englischen Adjektivs – die beiden verwenden es in Ausgezählt ohne ersichtlichen Grund rund ein halbes Dutzend Mal – ändert wenig daran, dass dem Schweizer Ermittlerteam die Arbeit bei seinem vorletzten Einsatz nicht leicht von der Hand geht. Schließlich müssen mehrere Fälle auf einmal gelöst werden.

Zwar ist der einleitende Tod der Boxerin Kerry Breitlinger (Fiona Wyss) schnell durch Doping erklärt, doch gibt es schon kurz darauf eine zweite Leiche: Weil Martina Oberholzer (Tabea Buser), die Breitlinger im Ring krachend zu Boden geschickt hat, die Boxhandschuhe an den Nagel hängen und über die Abgründe der Dopingszene auspacken will, sperrt sie ihr profitgieriger Manager Sven Brügger (Urs Humbel, Geburtstagskind) ohne Trinkwasser in einen Luftschutzkeller – und wird danach mit einer Pumpgun erschossen, ohne den Aufenthaltsort seiner Spitzensportlerin verraten zu haben.

Unter dringendem Tatverdacht steht Martina Oberholzers Patenonkel Heinz (Peter Jecklin, Skalpell), der für die Kripo in Zürich arbeitet und die Tat sofort gesteht – zum Missfallen seiner früheren Kollegin Ritschard, die dem angeblichen Tathergang keinen Glauben schenkt und sich selbst von der tadellos arbeitenden Rechtsmedizinerin Corinna Haas (Fabienne Hadorn) nicht überzeugen lässt.


HAAS:
Heinz Oberholzer ist definitiv der Mörder von Sven Brügger.


RITSCHARD:
Was heißt „definitiv“?



HAAS:
Das wird vor Gericht Bestand haben.


Wenn eine Tatort-Kommissarin energische Zweifel an einem Geständnis hegt, kann sich der Zuschauer leicht ausrechnen, wo der Hase noch lang läuft: So eindeutig sich der Mord zu Beginn gestaltet, so sicher ist auch, dass bei der Auflösung das letzte Wörtchen noch nicht gesprochen ist. Im 1099. Tatort dient der einleitende Todesfall aber auch dazu, die Mordkommission überhaupt auf den Plan zu rufen – im Zentrum der Geschichte steht jedoch der komplexe Entführungsfall.

Auch sonst ist nach den zwei tollen Luzerner Folgen Die Musik stirbt zuletzt und Friss oder stirb unter Regie Hobby-Boxerin Katalin Gödrös leider vieles wieder so, wie wir es bei den Krimis der Eidgenossen gewohnt sind: Die Synchronisation der schwyzerdütschen Originalfassung gestaltet sich holprig und auch für billiges Journalisten-Bashing und nervtötende Streitereien mit dem überzeichneten Vorgesetzten Eugen Mattmann (Jean-Pierre Cornu) haben die Drehbuchautoren Urs Bühler (Ihr werdet gerichtet) und Michael Herzig einen Platz in der Geschichte gefunden.

Ausgerechnet hier ergibt sich aber ein reizvoller Konflikt: Weil Ritschard ihren alten Spezi Oberholzer ins Gefängnis einschleusen und dort dem kriminellen Pius Küng (Pit-Arne Pietz, Alp-Traum) auf den Zahn fühlen will, legt sie Mattmann mit einem simplen Trick aufs Kreuz, was in einen handfesten Krach mit Flückiger mündet.

Beim vorletzten Tatort-Einsatz der Luzerner Kommissare, die 2020 in Zürich von Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) beerbt werden, erhält Ritschard als Figur damit endlich den Raum, der ihr seit ihrem Dienstantritt in Skalpell meist verwehrt blieb. Ihr sturer Alleingang ist der Charakterzeichnung jedenfalls dienlicher als die zum Fremdschämen schlechte Pärchenabend-Szene, bei der sich die weiblichen Lebenspartner der Ermittler spontan dazu verabreden, sich „ins Mostfass zu legen“.

Die Nachforschungen hinter Gittern gestalten sich ebenfalls weniger mitreißend als in den packenden Knast-Krimis Franziska, Tollwut oder Wer das Schweigen bricht: Außer plumpen Drohgebärden kommt den Knackis wenig Substanzielles über die Lippen, so dass ein Anschlag auf das Leben eines Häftlings kaum Durchschlagskraft entfaltet.

Auch die Suche nach der verdurstenden Boxerin, bei der Flückiger und Ritschard von der lippenlesenden IT-Expertin Deborah Hefti (Chantal Dubs) unterstützt werden, entwickelt nicht die Dramatik, die angesichts des Echtzeit-Charakters (Live-Kamera mit Countdown inklusive) möglich gewesen wäre: Weil der Zuschauer weder zum dehydrierenden Entführungsopfer, noch zu seinem verbissenen Vater Ferdi Oberholzer (Ingo Ospelt, Schmutziger Donnerstag) eine echte Beziehung aufbauen kann, bleibt der flott arrangierte Wettlauf gegen die Uhr unterm Strich eine ziemlich blutleere Angelegenheit.

Bewertung: 4/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Kaputt“


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