Folge: 1078 | 1. Januar 2019 | Sender: MDR | Regie: Dustin Loose
Bild: MDR/Wiedemann&Berg/Anke Neugebauer |
So war der Tatort:
Wild-westlich.
Denn die Weimarer Hauptkommissare Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner), die eigentlich gerade die letzten Vorbereitungen für den Besuch von Lessings penibler Mutter treffen wollen, verschlägt es bei ihrem achten gemeinsamen Einsatz in eine waschechte Westernstadt: In „El Doroda“ haben kauzige Hobbyisten wie der Ex-Professor Odi (Hans-Uwe Bauer, Fürchte dich) oder familiär gebundene Schausteller wie Showreiter Tom Wörtche (Christoph Letkowski, Zorn Gottes) in der Goldwäscherei, im Tipi oder im Saloon ihren Lebensmittelpunkt gefunden und scheren sich nur noch wenig um das, was außerhalb der Stadtgrenzen vor sich geht.
Weil der Besitzer von El Doroda seinen Pächtern allerdings kündigen will, gerät Geschäftsführer Heinz Knapp (Peter Kurth, Das Haus am Ende der Straße) beim Überbringen der schlechten Nachricht erheblich unter Druck – und als Schutzpolizist Ludwig Maria „Lupo“ Pohl (Arndt Schwering-Sohnrey) Knapps Vorgesetzten beim Schwimmtraining tot aus der Ilm fischt, zählt Der höllische Heinz genauso zum Kreis der Mordverdächtigen wie alle anderen El-Doroda-Bewohner.
Die Drehbuchautoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger, die bei Minute 49 ein nettes Easter Egg in ihre kurzweilige Krimikomödie eingebaut haben und auch die bisherigen Tatort-Folgen aus Thüringen konzipierten, holen das Lasso raus und schicken Lessing und Dorn auf einen zwar realitätsfernen, aber amüsanten Ausflug in die Welt der Cowboys und Indianer. Da darf ein echtes Cowgirl nicht fehlen – und so meldet sich Dorn prompt freiwillig zum Undercover-Einsatz im Sattel.
DORN:Pferd, Longhorn, Esel, Hirsch – ich reite alles, was ’n Fell hat.
Filmemacher Dustin Loose, der zuletzt beim starken Dresdner Tatort Déjà-vu Regie führte, schlägt bei seiner zweiten Arbeit für die öffentlich-rechtliche Erfolgsreihe deutlich seichtere Töne an und inszeniert einen sympathischen Schmunzelkrimi, der mit unzähligen Anspielungen auf die populären Karl-May-Verfilmungen, die beliebten Lucky-Luke-Comics oder berühmte Italo-Western wie Eine Handvoll Dollar und Spiel mir das Lied vom Tod gespickt ist.
Nicht von ungefähr wohnte der Tote in der „Sergio Leone Suite“, wenngleich auch das Mafia-Epos Der Pate zitiert wird: Der höllische Heinz findet den blutigen Kopf seines heißgeliebten Longhorn-Rindes im Bett – die Pferde hingegen überleben diesen Tatort anders als in Francis Ford Coppolas Meisterwerk allesamt.
Auch die Hauptdarsteller gehen dahin, wo’s weh tut: Während Nora Tschirner bei den ungedoubleten Szenen im Sattel keine allzu glückliche Figur macht, stürzt Ulmens Lessing beim heimlichen Beschatten von Tiefbau-Unternehmerin Ellen Kircher (Marie-Lou Sellem, Zorn Gottes) und deren einfältigem Sohn Nick (Martin Baden, Tiere der Großstadt) in voller Montur in eine Teertonne. Das obligatorische Federn bleibt ihm (anders als so manchem Westernschurken) zwar erspart, in die spaßigste Sequenz im 1078. Tatort mündet das Ganze aber trotzdem.
Auch Dorn verbucht viele Lacher für sich, weil sie mit scharfzüngigen One-Linern aus allen Rohren feuert. Ansonsten schießen die Filmemacher mit den Gags in bester Schrotflinten-Manier in die Breite: Von pfiffigem Wortwitz („Das war Knapps!“) über subtile Situationskomik bis hin zu absurden Kalauern wird zu stimmungsvollen Banjo-Klängen alles geboten.
Wer in der Hoffnung auf vielschichtige Figuren oder einen packenden Krimi einschaltet, guckt in Weimar allerdings erneut in die Röhre: Sieht man von der atmosphärisch dichten Eröffnungssequenz im nächtlichen El Doroda ab, entsteht kaum einmal etwas Spannung. Im Vergleich zu den 2018 erneut zu den Tatort-Quotenkönigen gekürten Kollegen Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) wirkt in Thüringen aber (noch) vieles origineller und deutlich abwechslungsreicher.
Parallelen ergeben sich diesmal im Hinblick auf Sidekick Lupo: Ist es in Münster meist der eitle Professor, der sich beim Frönen neuer Hobbies und Leidenschaften in schöner Regelmäßigkeit zum Affen macht, trainiert hier der treudoofe Schutzpolizist für den Weimarer „Ultraman“ und nimmt es allein mit einer ganzen Motorradgang auf, um dann beim ersten Whiskey aus den Stiefeln zu kippen.
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