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Borowski und das Haus der Geister

Folge: 1065 | 2. September 2018 | Sender: NDR | Regie: Elmar Fischer

Bild: NDR/Christine Schroeder

So war der Tatort:

Übersinnlich, übertrieben und überraschend schwach – zumindest für Kieler Verhältnisse.

Denn Regisseur Elmar Fischer (Letzte Tage) und Drehbuchautor Marco Wiersch (Zeit der Frösche) schicken den Tatort knapp elf Monate nach dem allenfalls zum Fürchten schlechten Frankfurter Krimi-Experiment Fürchte dich erneut auf einen Ausflug ins Horror-Genre: Hauptkommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) reist vier Jahre nach dem Verschwinden seines heimlichen Schwarms Heike Voigt (Sandrine Mittelstädt, Todesbrücke), der Ehefrau seines früheren Freundes Frank Voigt (Thomas Loibl, Wofür es sich zu leben lohnt), in dessen Villa – Borowskis Patenkind Grete (Emma Mathilde Floßmann), das gemeinsam mit ihrem Vater Frank, dessen neuer Frau Anna (Karoline Schuch, Kalter Engel) und ihrer Schwester Sinja (Mercedes Müller, Mia san jetz da wo’s weh tut) in dem abgelegenen Haus wohnt, hatte ihn per Brief darum gebeten. Nachts geschehen dort unheimliche Dinge, die aber nur Anna wahrnimmt. Fauler Zauber oder tatsächlich übersinnliche Phänomene?

Borowski geht auf Geisterjagd und rollt den zurückliegenden Todesfall neu auf, doch weil er befangen ist, stellt ihm sein Chef Roland Schladitz (Thomas Kügel) eine Partnerin zur Seite: Die 28-jährige Mila Sahin (Almila Bagriacik, Wer das Schweigen bricht) ist die Neue im Kieler Polizeipräsidium und tritt die indirekte Nachfolge von Sarah Brandt (Sibel Kekilli) an, nachdem der Kommissar in Borowski und das Land zwischen den Meeren einmalig allein ermittelt hatte. Und Sahin ist wahrlich nicht auf den Mund gefallen.


VOIGT:
Mir gefällt ihr Ton nicht.

SAHIN:
Ich könnte Gesangsstunden nehmen.

Der NDR setzt auf ein vor Selbstbewusstsein nur so strotzendes Energiebündel: Sahin unterzieht ihre Boxbirne „Walter“ im neuen Büro schon zum Einstieg einer Belastungsprobe und drückt in der Folge ordentlich aufs Tempo. Ihre dynamische Gangart und das unerschütterliche Selbstvertrauen, mit dem sie vor allem der Generation Y als Identifikationsfigur dienen dürfte, wirken allerdings überzeichnet und werden erst im Schlussdrittel des Krimis auf ein weniger anstrengendes Maß zurückgeschraubt. Ansonsten ist Sahin Brandt durchaus ähnlich, so dass sich an der Ermittlerkonstellation auf den ersten Blick nicht viel ändert.

Auch der Mut zu ausgefallenen Geschichten ist für den Fadenkreuzkrimi von der Förde typisch, doch birgt Borowski und das Haus der Geister – und das ist im Kieler Tatort eher die Ausnahme – im Hinblick aufs Drehbuch einige Schwächen: Die Auflösung fällt ziemlich vorhersehbar aus und beim Blick auf die Figuren scheint manches nicht stimmig.

Dass Borowski vom Jähzorn seines einstigen Schwarms nicht das Geringste geahnt haben will, wirkt sehr unglaubwürdig, sein blindes Vertrauen zu Neuling Sahin gerade bei einem solch persönlichen Fall überhastet – und über sein verschlossenes Patenkind, das die Filmemacher als anfängliche Schlüsselfigur schnell wieder fallen lassen, erfahren wir viel zu wenig. Vielmehr müssen Gretes blaue Haare, ihre Wollmütze und ihre Punk-Klamotten reichen, um sie auch im Geiste von ihrer sexy gekleideten Schwester Sinja zu trennen.

Zumindest im Hinblick auf Stiefmutter Anna, die von den schrecklichen Horror-Visionen gepeinigt wird, legen die Filmemacher mit einem gemeinsamen Ausflug in den Wald ein deutlich solideres Fundament für die weitere Charakterzeichnung und auch ästhetisch weiß der 1065. Tatort zu überzeugen. Dem solide inszenierten nächtlichen Grusel fehlt aber die Durchschlagskraft, denn für elektrisierende Schockmomente ist der Sendeplatz der falsche und für eine Geistergeschichte, bei der man die vermeintliche Übersinnlichkeit als gegeben hinnehmen könnte, ist die Handlung tagsüber viel zu sehr in der Realität geerdet.

Als Borowski die Damen des Hauses irgendwann sogar zum Gläserrücken bittet („Wir rufen dich, großer Geist!“), driftet die Handlung für einen Moment ins Lächerliche ab, ehe sich die Filmemacher wieder auf das konzentrieren, was ihren unrunden Genre-Mix überhaupt sehenswert macht: das Offenlegen der innerfamiliären Spannungen und die Aufklärung des tragischen Vorfalls von einst.

Auch im Hinblick auf die Figurenentwicklung ist Borowski und das Haus der Geister interessant: Nach fast fünfzehn Dienstjahren dürfen wir endlich Borowskis Ex-Frau Gabrielle (Heike Trinker, Der rote Schatten) kennenlernen – ein netter Handlungsschlenker, der die Geschichte aber kaum voranbringt.

Bewertung: 5/10


Kommentare

Eine Antwort zu „Borowski und das Haus der Geister“

  1. Ich vermisse Sibel Kekilli noch heute in ihrer Rolle im Tatort! Für mich waren es die besten Folgen der Tatort-Reihe.

    Peter van Stiphout

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