Folge: 1056 | 22. April 2018 | Sender: NDR | Regie: Özgür Yildirim
Bild: NDR/Christine Schroeder |
So war der Tatort:
Nacherzählt.
Denn der pfiffige Krimititel Alles was Sie sagen ist in diesem tollen Tatort Programm: Der Großteil der Geschichte spielt nicht im Hier und Jetzt, sondern wird dem internen Ermittler Joachim Rehberg (Jörn Knebel, Im toten Winkel) in ausführlichen Rückblenden von den Hamburger Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) zu Protokoll geben.
Der Grund für Rehbergs Einsatz: Bei der Jagd auf den in Lüneburg untergetauchten Libanesen Abbas Khaled (Youssef Maghrebi), der in der Flüchtlingsklasse von Lehrer Stefan Hansen (Moritz Grove, Mitgehangen) als Tutor gearbeitet und vor seiner Ankunft in Deutschland mutmaßlich Kriegsverbrechen in Syrien begangen hat, wird dessen Schwester Alima (Sabrina Amali) in einem schummerigen Fabrikgebäude erschossen und Falke gerät unter Verdacht, die tödliche Kugel beim Zugriff im Dunkeln abgefeuert zu haben.
Doch auch der Lüneburger Kollege Junker (Gerdy Zint, Dunkelfeld) hielt sich mit einer Einsatztruppe im Gebäude auf: Schon seit Monaten hat er es auf Drogenkönig Ibrahim Al-Shabaan (Marwan Moussa) abgesehen, der seinen Landsmann Khaled offenbar unter seine Fittiche genommen hatte. Spielt Junker auch eine Rolle?
Die Geschichten, die Falke und Grosz dem gewieften Rehberg getrennt voneinander erzählen, sind alles andere als deckungsgleich – und der Zuschauer bleibt bis zum großen Showdown im Unklaren darüber, wer von den beiden denn nun die Wahrheit erzählt. Allzu leicht aufs Kreuz legen lassen sich die Bundespolizisten nämlich nicht.
FALKE:Bitte, lassen Sie uns beide wie Erwachsene reden. Und verschonen Sie mich mit Ihrer simplen Verhörtaktik, ok?
Regisseur Özgür Yildirim inszenierte neben dem ersten Grosz-Tatort Zorn Gottes auch den ersten Tatort mit Falke, der 2013 noch mit Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) auf Täterfang ging – und die Nähe zum starken Feuerteufel ist in Alles was Sie sagen oft spürbar. Der Umgangston ist rau, die Inszenierung und der Soundtrack dynamisch und auch die Geschichte fällt deutlich geerdeter aus als beispielsweise im schrägen Vorvorgänger Böser Boden.
Spätestens, als Falke den Spieß umdreht und Rehberg klar macht, dass auch er sich mit cleveren Verhörmethoden auskennt, entwickelt sich der 1056. Tatort zum prickelnden Katz-und-Maus-Spiel: Die Drehbuchautoren Arne Nolting und Jan Martin Scharf, die bereits gemeinsam für zahlreiche TV-Filme und -Serien, aber noch nie für einen Tatort am Ruder saßen, ziehen dem Zuschauer gekonnt den Boden unter den Füßen weg und entschädigen damit für die kleineren Längen und Logiklöcher, die sich sich zwischen dem stimmungsvollen Auftakt und dem spannenden Finale einschleichen.
Denn es ist nicht zuletzt die geniale, weil wirklich überraschende Auflösung, die den Krimi zum bisher stärksten Tatort mit Grosz und Falke macht, wobei dessen mögliche Schuld nicht ständig im Vordergrund steht: Vorangetrieben wird der Film auch von der Frage, welche Rolle die libanesischen Kriminellen spielen, die die Kommissare ein ums andere Mal abblitzen lassen.
Dass die Bundespolizisten erst dreimal gemeinsam ermittelt haben, ist bei ihrem vierten Einsatz von Vorteil: Anders als zum Beispiel bei den altgedienten Münchner Kollegen Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), die ihrem unter Verdacht stehenden Partner zum Beispiel 2012 in Der traurige König oder 2017 in Der Tod ist unser ganzes Leben zur Seite sprangen, sind die Bande bei weitem noch nicht so stark ausgeprägt – es wäre sogar vorstellbar, dass einer den anderen ans Messer liefert.
Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass Grosz ihrem Kollegen im Hinblick auf ihre Jugendliebe Olaf Spieß (Marc Rissmann, Tanzmariechen) keinen reinen Wein einschenkt: Der Zweck dieser nur auf den ersten Blick dünn wirkenden Lovestory offenbart sich erst spät. Bis dahin spielen die Filmemacher in bester 8 Blickwinkel-Manier mit den Erzählperspektiven, führen den Zuschauer genüsslich an der Nase herum und entdecken bei den kammerspielartigen Szenen im Verhörzimmer sogar noch noch Falkes Liebe zur Laktose wieder, die in den Jahren zuvor fast in Vergessenheit geraten war.
Und am Ende wird auch noch das Duzen zum Thema, das Grosz ihrem Partner in Dunkle Zeit noch verweigert hatte: Das Fundament für eine noch vertrauensvollere Zusammenarbeit ist gelegt.
GROSZ:Sag niemals „Juli“ zu mir. Julia.FALKE:Thorsten.
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