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Das Leben nach dem Tod

Folge: 1108 | 10. November 2019 | Sender: RBB | Regie: Florian Baxmeyer

Bild: rbb/Marcus Glahn

So war der Tatort:

Nicht von ungefähr auf den 10. November 2019 terminiert.

Denn fast auf den Tag genau 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer widmet sich Das Leben nach dem Tod einem bisher nur wenig beleuchteten Kapitel der DDR-Geschichte: der Todesstrafe, die zwischen 1949 und 1981 in insgesamt 166 Fällen vollstreckt wurde – und erst 1987 von der DDR-Führung in ihrem Bemühen um mehr internationale Anerkennung offiziell abgeschafft wurde.

Drehbuchautorin Sarah Schnier und der vielfach tatorterprobte Regisseur Florian Baxmeyer (Wo ist nur mein Schatz geblieben?) haben aus diesem eher unbekannten Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte ein atmosphärisch dichtes Krimidrama konstruiert, das ausgerechnet in der Nachbarwohnung des Berliner Hauptkommissars Robert Karow (Mark Waschke) seinen Anfang nimmt: Der alleinstehende Rentner Fritz Irrgang lag wochenlang tot auf seinem Wohnzimmerteppich, ohne dass Karow oder dessen profitgierige Vermieterin Petra Olschweski (Karin Neuhäuser) etwas davon bemerkt hätten – was auch daran liegt, dass kein Verwesungsgeruch in den Hausflur gezogen ist, weil in der Wohnung die Türritzen versiegelt wurden und die Fenster gekippt waren.

Das hält seine toughe Kollegin Nina Rubin (Meret Becker), vor allem aber seinen SpuSi-Kollegen Jansen (Daniel Krauss) nicht davon ab, den Kommissar bei der eingehenden Untersuchung des Tatorts gehörig auf die Schippe zu nehmen.


JANSEN:
Ach hier, übrigens, Sherlock! Eine Frage hätte ich ja noch, wa. Sie wohnen doch hier direkt nebenan, oder? Da hab ich mich jefracht: Wie kann dit sein, dass ausgerechnet Sie, ja, nich jemerkt ham, dass direkt nebenan ’n Mord passiert. Dit hab ich mich jefracht. Tja, sacht er nischt mehr, wa. Mastermind!

Während der Kreis der Tatverdächtigen in der klassischen Whodunit-Konstruktion sehr überschaubar ausfällt und krimierprobten Zuschauer auf der Suche nach der Auflösung keine nennenswerten Probleme bereiten dürfte, gibt es auf Seiten der Ermittler gleich doppelten Zuwachs.

Rechtsmedizinerin Nasrin Reza (Maryam Zaree) hat sich verabschiedet und räumt ihren Platz in Das Leben nach dem Tod für Jamila Marques (Cynthia Micas) – und die wird von Rubin, die nach ihrer traumatischen Erfahrung im Vorgänger Der gute Weg gerade als neue Präventionsbeauftragte für interkulturelle Zusammenarbeit im Gespräch ist, prompt als erstes auf ihre dunkle Hautfarbe angesprochen.

Anders als Marques, die sich harmonisch ins Ensemble einfügt, wirkt die sensible Staatsanwältin Jennifer Wieland (Lisa Hrdina) bei ihrem seltsamen Debüt wie ein Fremdkörper, dürfte mit ihrem empfindlichen Magen aber zumindest vielen Zuschauern aus der Seele sprechen: Selten hat es sich so empfohlen, sein Abendessen rechtzeitig vorm Einschalten dieser Tatort-Folge zu beenden – die einleitenden Bilder mit Hunderten von Maden und allerlei brummendem Getier in Irrgangs Wohnung sind alles andere als appetitanregend.

Die harte Gangart der Anfangsminuten täuscht aber: Der 1108. schleppt sich in einer melancholisch-düsteren Grundstimmung lange Zeit zäh dahin, weil Spannungsmomente rar gesät sind und der rote Faden im etwas überfrachteten Krimidrama lange Zeit nicht ersichtlich ist. Neben dem eiskalten Geschäftsgebaren von Karows Vermieterin wollen schließlich auch noch der Raubzug der gewaltbereiten Teenager Magda (Elina Vildanova) und Ana (Amira Demirkiran), die es auf hilflose Pensionäre wie den Richter a. D. Gerd Böhnke (Otto Mellies, Im Schmerz geboren) abgesehen haben, das rätselhafte Schicksal des psychisch labilen Gebäudereinigers Hajo Holzkamp (Christian Kuchenbuch, Damian) und seiner Frau Liz (Britta Hammelstein, Nemesis) sowie Rubins Bewerbung in der Zentralstelle im Plot untergebracht werden – das ist ein bisschen viel des Guten und gestaltet sich selten wirklich aufregend.

Gerade über die Vorgeschichte der Holzkamps, eigentlich mit ausreichend Kamerazeit bedacht, hätte man angesichts ihrer Schlüsselrolle gern mehr erfahren – hier bleibt es allerdings bei Andeutungen und einer knappen Recherche der Kommissare, die dann all das rechtfertigen soll, was früher oder später im Drama enden muss. Der Schlussakkord des Films entfaltet dadurch bei weitem nicht die Wucht, die bei engerer Bindung des Zuschauers an die Figuren durch sorgfältigere Charakterzeichnung möglich gewesen wäre.

So ist trotz der starken Schauspieler vor allem das bisher wenig beleuchtete Kapitel der DDR-Zeit der interessanteste Aspekt dieser soliden Tatort-Folge, die zugleich die Abschiedstournee der 2022 aussteigenden Hauptdarstellerin Meret Becker einläutet.

Bewertung: 6/10

Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Lakritz“


Kommentare

3 Antworten zu „Das Leben nach dem Tod“

  1. Wann gibt es mal wieder einen vernümftigen Tatort????

  2. Mir hat der Tatort gut gefallen. Das Thema war interessant und der Spannungsbogen hoch bis zum Ende. Vielleicht wollten die Macher zu viel reinpacken, das mit den Kriminellen Mädchen wäre Stoff für einen separaten Krimi.

  3. Dat wa jahr nischt.

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