Folge: 1119 | 2. Februar 2020 | Sender: WDR | Regie: Torsten C. Fischer
Bild: WDR/Thomas Kost |
So war der Tatort:
Ziemlich unverhohlen abgekupfert von Sherlock.
Denn so wie sich in der BBC-Erfolgsserie das kriminelle Mastermind James Moriarty und der britische Ausnahmedetektiv Sherlock Holmes nach allen Regeln der Kunst duellierten, kommt es in Monster zum Showdown zwischen Hauptkommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) und dem Mann, der den Tod seiner Frau und Tochter zu verantworten hat: Serienmörder Markus Graf (Florian Bartholomäi, Taxi nach Leipzig).
Die Suche nach dem gewieften Graf, der 2018 im Tatort Tollwut aus dem Gefängnis ausgebrochen war, steht allerdings nur im ersten Filmdrittel in den Vordergrund: In Anlehnung an eine hochemotionale Sequenz im Tatort Auf ewig Dein, in der Faber Graf auf dem Dach des Dortmunder Hansahauses stellen konnte, verschlägt es die beiden erneut an diesen Ort – es ist nicht der einzige Moment, in dem Sherlock-Kenner aufgrund einer plötzlichen Wendung ein Déjà-Vu erleben dürften.
Deutlich unverbrauchter kommt da schon die Rahmenhandlung daher, die der erneut verantwortlich zeichnende Drehbuchautor Jürgen Werner etwas umständlich mit der Jagd auf Graf verknüpft: Gemeinsam mit seinen Kollegen Martina Bönisch (Anna Schudt), Nora Dalay (Aylin Tezel) und Jan Pawlak (Rick Okon) wird Faber einleitend zum Wohnhaus von Klaus Kaczmarek (Mike Reichenbach, Schwerelos) gerufen – die junge Evelyn Kohnai (Luisa-Céline Gaffron, Für immer und dich) hat ihn mit zahlreichen Messerstichen getötet und sitzt blutüberströmt neben der Leiche.
BÖNISCH:
Kaczmarek und ihr Vater haben zusammen in der JVA Dortmund gesessen.
FABER:Dann haben sich die beiden dort kennengelernt. Und das Mädchen anschließend brüderlich geteilt.
BÖNISCH:
Können wir das mit dem Zynismus für diesmal lassen? Ich kotze Ihnen sonst gleich vor die Füße.
Der schreckliche Anblick der traumatisierten Mörderin ist nur eines von mehreren Beispielen dafür, wie effekthascherisch Regisseur Torsten C. Fischer (Väterchen Frost) seinen aufwühlenden Tatort bisweilen inszeniert – besonders der Zeitlupeneinsatz gerät zu inflationär.
Dabei bringt die Geschichte auch ohne künstliche Verstärker all das mit, was ein wuchtiges Krimidrama ausmacht: Evelyns erschütternde Ausführungen über die Misshandlung und Vergewaltigung durch den eigenen Vater und pädophile fremde Männer lassen allenfalls erahnen, was solch grauenvolle Taten mit der Seele eines kleinen Mädchens anrichten.
Während die glänzend aufgelegte Jungschauspielerin Luisa-Céline Gaffron bei den bedrückenden Sequenzen im Verhörzimmer ihr ganzes Können in die Waagschale wirft und sich schnell zum Dreh- und Angelpunkt im 1119. Tatort mausert, entwickelt die Handlung hier gleichzeitig mehr Durchschlagskraft als beispielsweise im vier Wochen zuvor ausgestrahlten Hamburger Tatort Tschill Out, in dem Nick Tschiller (Til Schweiger) und Yalcin Gümer (Fahri Yardim) ebenfalls einem Pädophilenring auf die Schliche kamen.
Das heterogene Dortmunder Ermittlerteam ist beim Wettlauf gegen die Uhr – auch Pawlaks Tochter Mia (Eliza Heitz) will aus den Fängen der Pädophilen befreit werden – voll in seinem Element, ohne sich diesmal gegenseitig zu zerfleischen. Der schon oft bemühte Drehbuchkniff, dass hier gleich zwei Kommissare persönlich vom Fall betroffen sind, steigert den Reiz der Geschichte mit einfachen, aber effektiven Mitteln enorm und dient zugleich der Charakterzeichnung, weil das Stammpublikum Pawlaks Familie bei dessen fünftem Tatort-Auftritt erstmalig zu Gesicht bekommt. Kollegin Dalay, die bei vielen Tatort-Fans einen schweren Stand hat, hält sich in Monster auffallend zurück – Bönisch hingegen sorgt mit einer spontanen Verwandlungsnummer für den größten Lacher des Films, der sich allerdings nur schwer mit dem ernsten Erzählton und der so bedrückenden Atmosphäre in Einklang bringen lassen will.
Und am Ende dieser zweifellos spannenden, stellenweise aber etwas substanzlosen Tatort-Folge hat man auch das Gefühl, dass irgendwie mehr drin gewesen wäre: So mitreißend und verstörend Evelyns Schicksal beleuchtet wird, so behauptet wirkt die Überlegenheit Grafs. Sein Auftreten birgt stets eine gewisse Affektiertheit und etwas subtil Bedrohliches, aber wirklich liefern tut er nur selten. Die Wortgefechte mit Faber bleiben überraschend blutleer. Er mordet nie vor der Kamera, wir lesen nur Botschaften oder hören ihn gekünstelte Sätze wie „Es wäre mir fürwahr eine Freude!“ in den Hörer säuseln.
Im direkten Tatort-Vergleich mit dem kaltblütigen Kult-Killer Kai Korthals (Lars Eidinger, vgl. Borowski und der stille Gast und Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes) kann er da nicht ganz mithalten.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Unklare Lage“
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