Folge 1269
April 2024
Sender: WDR
Regie: Torsten C. Fischer
Drehbuch: Wolfgang Stauch
So war der Tatort:
Telepathisch.
Denn im 90. Tatort mit den Kölner Hauptkommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) findet mehrfach etwas statt, was man in der Krimireihe nur selten zu sehen bekommt: Menschen unterhalten sich per Gedankenübertragung und führen Monologe, ohne dabei den Mund zu öffnen. Das hat in Diesmal ist es anders (der anfangs den Arbeitstitel Ballauf in Love trug) einen besonderen Hintergrund: Der ewige Junggeselle Ballauf ist nach langer Zeit mal wieder verliebt und kann die Gedanken seines Schwarms Nicola Koch (Jenny Schily, Flash) genauso lesen wie Koch die seinen. Und er ist fest dazu entschlossen, sein Single-Dasein aufzugeben.
Es ist typisch für diesen nach klassischen Mustern gebauten Kölner Tatort, das Ballaufs neue Beziehung nicht so glücklich ist, wie er anfangs glaubt, und dass sie in Verbindung zum Mordfall steht: Ein Mann, der in der Vergangenheit von Prominenten gewühlt hat, wird zu Tode gefahren und hatte auch die frühere Schlagersängerin Mariella Rosanelli (Leslie Malton, Was bleibt) im Visier. Die war eng mit der als Chefredakteurin eines Lokalmagazins tätigen Koch befreundet und kam oft in der Zeitung zu Wort, weil sie sich mit Unterstützung ihrer loyalen Ziehtochter und Assistentin Larissa Krüger (Katja Hutko) vorbildlich im selbst gegründeten Jugendprojekt „Kids4care“ engagiert.
Ähnliche Konstruktionen um persönliche Verwicklungen eines Ermittlers gab es in der Krimireihe schon oft – zuletzt nicht nur im Kölner Tatort Schutzmaßnahmen, in dem Freddy Schenks Tochter unter Mordverdacht gerät, auch im Göttinger Tatort Geisterfahrt, im Saarbrücker Tatort Der Fluch des Geldes oder im Stuttgarter Tatort Vergebung. Der Glaubwürdigkeit ist das wenig dienlich, der Spannungskurve aber fast immer – und weil Koch schon bald unter Mordverdacht gerät, steigern Drehbuchautor Wolfgang Stauch (Die Nacht der Kommissare) und Regisseur Torsten C. Fischer (Abbruchkante) die Brisanz des Kriminalfalls mit abgegriffenen, aber effektiven Mitteln.
Dass Ballaufs kritische Liaison im 1269. Tatort so viel Raum erhält, führt gleichzeitig dazu, dass drei Nebenfiguren nur am Rande vorkommen: Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch), KTU-Leiterin Natalie Förster (Tinka Fürst) und der gemütliche Kollege Norbert Jütte (Roland Riebeling) müssen sich mit wenigen Textzeilen begnügen. Die klingen überwiegend authentisch – was nicht für alle Dialoge gilt. So manche Zeile in diesem etwas kitschig inszenierten Tatort klingt seltsam gestelzt. Und auch Küchenpsychologie wird nicht weniger küchenpsychologisch, wenn man das Kind beim Namen nennt.
Diesmal ist es anders liefert dennoch solide, wenn auch dialoglastige Krimi-Unterhaltung mit Herz: Verdächtige, die weniger von sich preisgeben, als Ballauf und Schenk sich das wünschen, ein dunkles Geheimnis in der Vergangenheit und souveräne Befragungen im Wo-waren-Sie-gestern-Abend-Stil: Fans der Kölner Tatort-Folgen schätzen die Krimis aus der Rheinmetropole für genau diese Bodenständigkeit und bekommen sie hier zuverlässig geliefert. Allein die Auflösung der Täterfrage ist ein Kinderspiel – da können fleischgewordene Nebelkerzen wie Kochs neugieriger Nachbar Christian „Wampe mit Bier“ Schröder (Robert Nickisch, Das perfekte Verbrechen) wenig dran ändern.
Gleichzeitig wäre der Kölner Tatort nicht der Kölner Tatort, wenn er nicht den Scheinwerfer auf den Zeitgeist richten würde: Dass in der Redaktion von Nicola Koch nur wenige Journalistinnen und Journalisten arbeiten, aber unter mehreren Pseudonymen Artikel veröffentlichen und so ein großes Redaktionsteam vorgaukeln, bringt das Problem einer ganzen Branche auf den Punkt. Printmedien fristen im Jahr 2024 ein Schattendasein und können Journalisten kaum noch bezahlen, weil die Leserschaft zunehmend wegstirbt und sie damit kaum noch zu finanzieren sind.
Apropos ältere Generation: Dass die Kamera den trotz Befangenheit ermittelnden Ballauf und Koch beim Schäferstündchen einfängt, ist für die deutsche TV-Landschaft nicht selbstverständlich. Ja, auch Frauen und Männer über 50 haben ein Sexualleben und ja, das darf man im Fernsehfilm auch gerne thematisieren. So altbacken der Krimi aus der Domstadt sonst manchmal daherkommt, setzt er hier ein erfreuliches Zeichen. Gleichzeitig irritiert, dass Psychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler), die in Altes Eisen selbst das Bett mit Ballauf teilte, nur einen plumpen Allgemeinplatz beisteuert („In der Liebe muss man immer an das Beste glauben, Max.“) – da wäre deutlich mehr möglich gewesen.
Am Ende ist aber ohnehin wieder alles beim Alten: Der einsame Wolf Ballauf geht ohne Frau an seiner Seite durchs Leben. Dafür aber mit Familienvater Freddy, der sich an der Seite seines Partners ebenfalls wohler fühlt als daheim und ihm diesmal eine besonders wertvolle Stütze ist.
Bewertung: 6/10
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