Folge 1281
24. November 2024
Sender: WDR
Regie: Hüseyin Tabak
Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn
So war der Tatort:
Unerotisch.
Und das, obwohl der 91. Tatort mit Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) über weite Strecken in der titelgebenden siebten Etage eines Kölner Eros-Centers spielt: Das Drehbuchautorenduo Eva und Volker A. Zahn, das zuletzt auch die Geschichten zu den Kölner Krimis Hubertys Rache und Abbruchkante beisteuerte, entführt uns in einen mehrstöckigen Puff, in dem Sex-Arbeiterinnen ihrem harten Tagesgeschäft nachgehen und in dem es neben einer Bar sogar einen Friseursalon und ein Nagelstudio gibt.
Nackte Haut gibt es in diesem Tatort unter Regie von Hüseyin Tabak (Borowski und der Fluch der weißen Möwe) ebenfalls viel, wenngleich er explizite Szenen konsequent ausspart: Abgesehen von einer kunstvoll arrangierten Aktsequenz, in der drei Männer in Ekstase ihre Schwabbelbäuche schwenken, sind die rot beleuchteten Zimmer im Freudenhaus keine Orte der Freude, sondern der Trauer, Melancholie und Desillusion. Das Bordell ist ein Mikrokosmos, in dem wir oft die Perspektive der Mieterinnen einnehmen. Sie werden in diesem Krimi in erster Linie über ihre Arbeit definiert.
Wir lernen drei Prostituierte kennen, die dort für eine Miete von 160 Euro am Tag ihre Brötchen verdienen: Die entrückt wirkende Jasmin Backes (Antonia Bill, Der wüste Gobi) verlor ihre Mutter, ihr Vater will indes nichts mehr von ihr wissen. Die aufbrausende Cosima Adam (Senita Huskic), ist Mutter zweier Kinder und weiß nicht, wie sie eine Vermieterin von ihrem Einkommen überzeugen soll. Die dralle Tani Schiller (Maddy Forst) wurde unter falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt. Zwei weitere Frauen haben den Absprung geschafft und arbeiten trotzdem im Eros-Center: die Nageldesignerin Chiara Passlak (Ex-Rapperin Sabrina Setlur) und die Friseurin Kaja Zeman (Nuriye Jendroßek, Vergebung).
Zemans prahlerischer Bruder Malik (Mehdi Salim), der als Haustechniker in dem 120 Zimmer starken Gebäude tätig war, ist es auch, der Ballauf und Schenk zusammen mit SpuSi-Leiterin Natalie Förster (Tinka Fürst) und Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) auf den Plan ruft: Er ist aus einem der Fenster gestürzt und liegt tot auf dem Pflaster. Puff-Leiter Gerald Kneissler (André Eisermann, Gold), weint ihm ebenso wenig Tränen nach wie die kultverdächtige Reinigungskraft Renate Schüttgen (Hella-Birgit Mascus), die in den Zimmern, an der Bar und auf den Fluren sämtliche Flüssigkeiten entfernt, die ihr Ziel verfehlt haben.
Ballauf und Schenk zeigen im Etablissement wenig Berührungsängste; die beiden Haudegen haben in ihren über 25 Tatort-Dienstjahren schließlich schon alles erlebt. Dennoch legt ihnen das Drehbuch einige bemühte, gewollt lockere Sprüche in den Mund, die ihren Besuch hier und da zu einer unnötig verkrampften Angelegenheit machen.
Ansonsten ist Siebte Etage ein solides Krimidrama, birgt aber Schwächen. Eine ist der heimliche Publikumsliebling: Norbert Jütte (Roland Riebeling), der bisher mit unerschütterlicher Unaufgeregtheit als ruhender Gegenpol zu seinen Vorgesetzten punktete, war einst für die Wuppertaler „Sitte“ tätig und trifft nun mit der verzweifelten Cosima eine alte Bekannte. Dass die ihn direkt als „Bürger“ für ihre anvisierte Mietwohnung verpflichtet und man ihm eine unglückliche Liebe zu einer anderen Prostituierten namens Cora andichtet, lässt ihn sehr naiv erscheinen und fühlt sich künstlich an. Der Figur tut die Folge nicht gut.
Auch der Klangteppich wirkt nicht immer aus einem Guss: Beginnt der Krimi noch mit den so wunderbaren Zeilen von Hildegard Knefs „Für mich, soll’s rote Rosen regnen“ und endet er mit einer tollen Zeitlupenfahrt über den Flur des Freudenhauses, werden harmlose Befragungen der Kommissare oder andere Zwischensequenzen mit Synthieklängen unterlegt, die so gar nicht mit der Stimmungslage harmonieren. Und während sich die Vorgeschichten der Prostituierten meist aus den Gesprächen ergeben, wenden sich Cosima, Tani und Jasmin auch jeweils für einen sentimentalen Moment durch die Vierte Wand ans TV-Publikum. Effektiv, aber dick aufgetragen.
Das kann man unaufdringlicher und ohne Druck auf die Tränendrüse erzählen – Paradebeispiel dafür ist der Kölner Tatort Wie alle anderen auch, eine sehr überzeugende Studie des Wohnungslosenmilieus. In Siebte Etage dominiert der Betroffenheitskitsch, wenn auch nicht immer: Ballauf und Schenk halten den Ball flach und verzichten auf die Gespräche im Wagen, die in Köln sonst so oft noch das Tragische unterstreichen, das zuvor schon erzählt wurde. Wirklich Neues über die Mechanismen der Sexbranche und die zahlungskräftigen Kunden erfahren wir allerdings nicht: Sie wollen feiern, sie wollen reden, sie wollen ficken.
Auch als Whodunit überzeugt der 1281. Tatort nur bedingt: Verhöre und Recherchen sind bald redundant, weil die SpuSi plötzlich ein Video findet, das die Mörderin auf dem Silbertablett liefert. Die ohnehin vorhersehbare Täterfrage wird dadurch ungewohnt früh aufgelöst. Im starken Schlussdrittel muss dann noch ein weiterer Mord verhindert werden, was für einen finalen, wenn auch inhaltlich nicht ganz schlüssigen Anstieg der Spannungskurve sorgt. Eine gute Stunde lang plätschert das formelhafte Krimidrama – seinen eindringlichen sozialkritischen Botschaften zum Trotz – aber überraschend zäh vor sich hin.
Bewertung: 5/10
Drehspiegel: So geht’s im Kölner Tatort weiter
Ausblick: Dieser Tatort läuft am nächsten Sonntag
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