Folge 1299
6. April 2025
Sender: WDR
Regie: Isa Prahl
Drehbuch: Regine Bielefeldt
So war der Tatort:
Erinnerungsmanipulativ.
Gleich mehre Menschen gestehen in diesem Tatort, der nicht von ungefähr unter dem Arbeitstitel Ich gestehe gedreht wurde, nämlich einen Mord, den sie gar nicht begangen haben, obwohl sie fest daran glauben: Erst liegt der Student und Barkeeper Chris Haffmeister (Jonas Stenzel) mit einer rätselhaften tödlichen Stichverletzung vor der Hintertür eines Clubs, später ein wohlhabender Rentner tot in seiner viel zu großen Villa. Und auf der Zielgeraden gibt es sogar noch das Geständnis für einen dritten Mord, der gar nicht mehr stattfindet.
Liest sich kurios, und das ist es auch: Drehbuchautorin Regine Bielefeldt, die bereits für den schwachen Münster-Tatort MagicMom und den gelungeneren Fall Unter Gärtnern verantwortlich zeichnet, setzt die Publikumslieblinge der ARD erneut auf einen Kriminalfall an, der einem Realitätsabgleich nicht im Geringsten standhalten würde. Zuständigkeiten der Rechtsmedizin spielen da ebenso wenig eine Rolle wie Paragraphen des Mietrechts – Hauptsache, es darf bei der Antwort auf die Täterfrage mitgerätselt und gelacht werden.
Für den ersten lauten Lacher soll in Fiderallala, dessen Titel auf den Refrain des Kinderliedes Die Vogelhochzeit anspielt, mal wieder Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) sorgen: Nachdem er in Ein Fuß kommt selten allein mit Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) das Tanzbein schwang oder sich in Es lebe der König! beim Solo-Tanz in einer Ritterrüstung zum Affen machte, stürzt der eitle Forensiker diesmal im Kreise seiner Studierenden ab und grölt sein Fiderallala tanzend und sturzbesoffen durch den Club, hinter dem später zufälligerweise die Leiche liegt. Eine Sequenz, so durchgeplant wie witzlos, weil sie in ähnlicher Form schon zig mal dagewesen ist.
Auch der übermäßige Alkoholkonsum und Gedächtnisverluste, wie hier bei der an einem Filmriss leidenden Fraya Menke (Meira Durand, Für immer und dich), sind im Münster-Tatort wahrlich nichts Neues mehr: Während Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl), den Boerne unter einem deutlich witzigeren Vorwand auf die Party gelockt hat, sein Gedächtnis in Des Teufels langer Atem verliert und Boerne in Die chinesische Prinzessin unter Amnesie leidet, ist es diesmal eben eine Tatverdächtige. Zu tief ins Glas schauten Thiel und Boerne dafür etwa im Totalausfall Propheteus oder lallend in Rhythm and Love. Diesmal führt der Absturz ins Taxi von Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) und auf Thiels Couch, obwohl der Professor nebenan wohnt und der Weg ins eigene Bett genauso weit gewesen wäre.
Fiderallala fühlt sich an wie ein aus alten Versatzstücken zusammengeschustertes Puzzle mit variierten Frotzeleien und Altherren-Witzchen, aber bar jeder Spannung. Dem seit Jahrzehnten relevanten Thema Wohnungsnot, das auch in Tote brauchen keine Wohnung, Die Liebe, ein seltsames Spiel oder Die dritte Haut behandelt wurde, wird das selten gerecht: Dass Studierende wie die tatverdächtige Kim Moser (Bineta Hansen, Die Kälte der Erde) auf einer Wiese zelten müssen, weil sie keine bezahlbare Bleibe finden, erzählt die seichte Krimikomödie nur am Rande. Stattdessen verwendet sie viele Minuten darauf, ein vorschnelles Kündigungsschreiben Boernes an seinen Mieter Thiel für Slapstick und vorhersehbare Peinlichkeiten zu verwenden. Und auch die recht beliebig in die Dialoge eingestreuten One-Liner des selbstverliebten Professors dürfen nicht fehlen.
Unter Regie von Isa Prahl (Gefangen) hangeln sich Boerne und der diesmal auffallend heisere Thiel von Befragung zu Befragung, von Gag zu Gag und von Dienstfahrt zu Dienstfahrt – ein routinierter, durchaus kurzweiliger, ohne Überraschungen abgespulter Tatort, der aber zumindest nicht so nervt wie manch andere Nummernrevue aus Münster. Natürlich: Dass Boerne praktisch jeden Hausbesuch begleitet, sich als Psychologe versucht, bei der geständigen Lucy Osthofen (Luise von Stein) sogar einen Lügendetektor-Test durchführt und ihr Schizophrenie unterstellt, ist völlig absurd – man hat den frisch gekürten „beliebtesten Professor der Uniklinik Münster“ aber auch schon in bescheuerteren Situationen erlebt.
Rätselhaft bleiben im vorletzten Münster-Tatort mit Mechthild Großmann, die die Krimireihe noch im Jahr 2025 verlässt, neben der kniffligen, allerdings wenig glaubwürdigen Auflösung im Übrigen noch zwei andere Dinge: Warum Kollege Mirko Schrader (Björn Meyer) in der 1299. Ausgabe der Krimireihe nur wenige Sekunden zu sehen und sonst per Telefon zugeschaltet ist und warum die Maske die Druckstellen von Axel Prahls Brille über dessen Ohren so konsequent ignoriert. Fast in jeder Szene sieht Hauptkommissar Thiel aus, als hätte er gerade erst eine eng sitzende Sehhilfe abgenommen, die er im Münster-Tatort bisher äußerst selten getragen hat.
Bewertung: 4/10
Abschied: Staatsanwältin Klemm ist bald Tatort-Geschichte
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