Der Stalker muss ein Mann sein, wie wir zu Beginn durch die tiefe, verzerrte Stimme am Telefon erfahren, und er stammt aus seinem sehr überschaubaren Kreis potenzieller Täter. Berlinger vernimmt im 1245. Tatort keinen einzigen Verdächtigen, der nicht für die Polizei tätig ist. Vier Männer kommen infrage: Wagner, der ein falsches Spiel spielen könnte, der vorbelastete Hauptkommissar Thomas Engels (Andreas Döhler,
Die Kalten und die Toten), der den übergriffigen Dienststellenleiter Niklas Zerrer (Rainer Sellien,
Machtlos) beschuldigt, und Daniel König (Matthias Lier,
Unsichtbar), der sich im Präsidium um die IT kümmert.
Hm. Wem ist es wohl am ehesten zuzutrauen, seinen Stalking-Opfern Spy-Apps auf ihre Smartphones zu schmuggeln und Miniaturkameras in den Wohnungen der terrorisierten Frauen zu installieren, die er dann genüsslich von zu Hause belästigen, bedrohen und bedrängen kann?
Die Auflösung der Täterfrage ist ein Kinderspiel, und deswegen macht Drehbuchautor Jürgen Werner (
Du bleibst hier) in seinem 31. (!) Tatort nach einer Dreiviertelstunde auch kein Geheimnis mehr aus ihr. Aus dem Whodunit der ersten Filmhälfte wird ein klassischer Howcatchem. Berlinger & Co. beißen sich die Zähne daran aus, genügend Belastbares gegen den Stalker zu sammeln und einen weiteren erzwungenen Suizid zu verhindern. Dass auch Berlinger ins Visier des Frauenfeindes gerät – man kann die Uhr danach stellen.
Wir hingegen tun uns schwer damit, die Motive des Mannes nachzuvollziehen: Die Charakterzeichnung des Mörders gerät recht oberflächlich und als fieser Bösewicht gehen ihm das Besondere und das Charisma ab (man vergleiche ihn etwa mit dem perfiden Fiesling Kai Korthals aus
Borowski und der stille Gast). Entsprechend kalt lassen seine Spielchen. Dafür wird in das Profil der alleinstehenden Katzenbesitzerin und Catering-Unternehmerin Julia Ritter (Susanne Wuest,
Stau) investiert, sie erhält viel Kamerazeit und darf sich ausführlich vor dem Stalker fürchten.
Hier hat Aus dem Dunkel zweifellos seine stärksten Momente. Ein paar fiese Jump Scares im Düstern und ein echter Gänsehaut-Moment auf der Rückbank eines Autos: Wer im Horrorgenre zu Hause ist, wird darüber zwar nur müde lächeln, doch beim zart besaiteteren Teil des Publikums verfehlen sie ihre Wirkung sicher nicht. Spannend ist der Krimi bis zum Schluss, aber eben auch ausrechenbar und ohne echte Tiefe. So ist der fünfte Berlinger-Tatort zwar eine deutliche Steigerung, aber kein großer Befreiungsschlag – wohl aber das Ende eines seltsamen Missverständnisses.
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