Bild: Das Erste

Was wir erben

Folge: 1165 | 25. April 2021 | Sender: SWR | Regie: Franziska Schlotterer

Bild: SWR/Benoit Linder
So war der Tatort:
Harm(s)los.
Denn der 1165. Tatort ist nicht nur ein sehr geradliniger und relativ harmloser Krimi der alten Schule, sondern zugleich der erste Freiburger Tatort nach dem Abschied von Kripochefin Cornelia Harms: Schauspielerin Steffi Kühnert, die einst Harald Schmidt ersetzte und in fünf von sechs Schwarzwälder Folgen zur Stammbesetzung zählte, hat die Krimireihe verlassen und ist zukünftig nicht mehr in dieser Rolle zu sehen (mehr dazu in unseren News-Artikel).
Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) müssen bei ihren Ermittlungen somit nicht nur ohne ihre Chefin, sondern auch (noch) ohne eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger auskommen: Was wir erben erzählt die Geschichte der wohlhabenden alten Dame Elisabeth Klingler-Rathmann (Marie Anne Fliegel, Das fleißige Lieschen), die kurz nach der Änderung ihres Testaments die Treppe in ihrer Villa hinunterstürzt und im Krankenhaus verstirbt.
Der Kreis der Verdächtigen gestaltet sich – wie für einen klassischen Whodunit üblich – überschaubar: Neben ihrer Pflegerin, „Gesellschafterin“ und Neu-Ehefrau Elena Zelenko (Wieslawa Wesolowska, Der Tote im Nachtzug), die das Haus erben sollte, zählen auch ihre Tochter Gesine Rathmann (Jenny Schily, National Feminin), ihr Sohn Richard Rathmann (Jan Messutat, Die harte Kern), die Haushaltshilfe Zofia Janczak (Janina Elkin, letzter Tatort-Auftritt ebenfalls in Die harte Kern) sowie ihre Enkelin Antonia Wood (Johanna Polley) dazu.
Verhöre werden geführt, Aussagen hinterfragt und Indizien für den Tathergang ausgewertet – und auch bald die Abgründe innerhalb der Unternehmerfamilie offengelegt, die ihre Millionen seit 80 Jahren mit edlen Schwarzwälder Schokokirschen verdient. Eine ähnliche Story gab es zwei Monate zuvor im (vom Publikum wenig geschätzten) Schweizer Tatort Schoggiläbe, doch diesmal geht es auch um Fragen des deutschen Erbrechts, das sich im Dienstwagen bisweilen wenig differenziert vorgetragene Kritik gefallen lassen muss.

TOBLER:
Erben ist immer ungerecht. Viel erben doch nur die, die vorher schon viel hatten und nie was dafür tun mussten. Und die, die nix erben, die wohnen dann bei den Erben zur Miete oder putzen denen die Villa. Das ist sowieso ein überholtes Privileg: erben.

BERG:
Na, sobald du mal selber erbst, denkst du da anders drüber.


Regisseurin Franziska Schlotterer, die zum ersten Mal für die Krimireihe am Ruder sitzt, und Drehbuchautor Patrick Brunken, der bereits das Skript zum zweiten Schwarzwald-Tatort Sonnenwende schrieb, erzählen einen unaufgeregten und übersichtlichen Kriminalfall im Agatha-Christie-Stil, wie er im Tatort und in vielen anderen Crime-Formaten schon vor Jahrzehnten erzählt wurde. Das hat fast etwas Entschleunigendes.
Dass der Film nicht im Jahr 2000, sondern im Jahr 2020 gedreht wurde, macht sich vor allem in Nebensätzen bemerkbar: Tobler moniert Bergs Papierkrieg im Büro („Wie immer komplett und einseitig ausgedruckt, du alte Umweltsau!“) und Firmenchefin Gesine Rathmann nennt die Belegschaft konsequent „Arbeiter*innen“, während auch Berg sich sprachlich ertappt fühlt („Uh, jetzt hab ich nicht gegendert, jetzt schulde ich Ihnen ein Kaltgetränk, was?“). Es sind seltene moderne Momente in einem nostalgisch angehauchten Krimi, wie man ihn in der erfolgreichsten deutschen Fernsehreihe, die sich in den vergangenen Jahren zu einer Spielwiese anderer Genres weiterentwickelt hat, nur noch selten zu sehen bekommt.
Was wir erben ist nicht sonderlich mitreißend, aber im besten Sinne bodenständig: ein kurzer Prolog zur Einordnung des Geschehens, ein rätselhafter Todesfall in einem prunkvollen Mikrokosmos, eine Handvoll möglicher Mörder, routinierte Befragungen nach dem Wo-waren-Sie-zur-Tatzeit-Prinzip und – fast auf die Sekunde pünktlich – nach einer Dreiviertelstunde die obligatorische zweite Tatort-Leiche, die das Geschehen in eine neue Richtung schubst. Man kann die Uhr nach dem Film stellen.
Trotz dieser Formelhaftigkeit wird es selten zäh, denn der Exkurs ins komplexe Erbrecht und der historische Kontext der Story, die ähnlich wie im ein Jahr zuvor ausgestrahlten, vielgelobten Saarbrücker Tatort Das fleißige Lieschen in die Zeit des Nationalsozialismus und der Zwangsarbeiter in deutschen Fabriken zurückreicht, gestalten sich reizvoll, der Cast überzeugt und auch die Auflösung der doppelt gestellten Täterfrage ist kein Kinderspiel.
Die Spannungskurve schlägt aber selten nach oben aus: Rasante Verfolgungsjagden oder fesselnde Psychospielchen sucht man vergeblich, doppelte Böden wie im tollen Mindfuck Damian gibt es keine und auch wilde Sex-und-Alkohol-Exzesse wie im vielkritisierten Skandal-Tatort Ich hab im Traum geweinet scheinen im Breisgau der Vergangenheit anzugehören. Wer solide Krimi-Unterhaltung sucht, wurde auch schon im Freiburger Vorgänger Rebland fündig – dennoch haben Tobler und Berg beim experimentierscheuen Stammpublikum noch immer einen ganz schweren Stand.
Bewertung: 5/10


📝 So war der letzte Tatort: Kritik zum Tatort „Macht der Familie“


Kommentare

11 Antworten zu „Was wir erben“

  1. Super Tatort. Schade, dass viele diese Meinung nicht teilen. Spannung ohne vielen Toten und Brutalität.

  2. Ganz schlecht recherchierter Tatort. Erben und vererben aus dem Märchenreich. Schade!

  3. Avatar von Unknown

    Erfreulich war, dass man alle gut verstanden hat, weil nicht mit nervenden Musik unterlegt.

  4. Avatar von Unknown

    So ein Erziehungsfilmchen mit abgrundschlechtem Drehbuch und Ermittlern zum totlachen !!!

  5. Die Story hatte viele Löcher und war nicht besonders spannend. Auch wenn die Schauspieler einen soliden Job abliefern ist dann nicht mehr viel zu retten…

  6. Avatar von Unknown

    Der Tatort war sehr gut !!!!

  7. Avatar von Unknown

    Nach dem Kommentar wegen dem Erben habe ich voller Zorn abgeschalten. Ich hab sehr viel gearbeitet mein Sohn auch. Der hat auch schon sehr früh mitgeholfen wenn die Grünen in den Urlaub fahren. Wenns jetzt dann ans erben und überschreiben geht dann kann er seine Arbeitsleistung versteuern. Hier wurde nur Neid geschürt. Ich mag keine Nazi Parolen und keine solchen Parolen.

  8. Thema: geht so…
    Spannung: zum einschlafen…
    Ermittler: OMG…
    Fazit: Wann gibt es endlich mal wieder einen richtigen Tatort?

  9. Avatar von Ulbi, weiblich
    Ulbi, weiblich

    Genderwahn im Tatort – nicht zum Aushalten, sondern zum Ausschalten… Schade drum!

  10. Sehr angenehm und ruhiger Tatort mit vorzüglicher Besetzung (Jenny Schilly immer; Tobler&Berg routiniert unaufgeregt souverän).

  11. Ganz schlimmer Tatort, inklusive schlechtem Ermittlerteam.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert