Und das kommt nicht von ungefähr: Macht der Familie sollte ursprünglich ein rasanter Actionfilm mit vielen Komparsen werden – doch die Corona-Pandemie machte Regisseur und Drehbuchautor Niki Stein (Borowski und das Haus am Meer) 2020 einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Das Skript musste kurzfristig umgeschrieben werden und die die meisten Außendrehs fanden ohne Statisten statt.
Herausgekommen ist eine solide Mischung aus verschachteltem Thriller, formelhaftem Familiendrama und emotionalem Kammerspiel, das aber keinen der beteiligten Akteure wirklich zufrieden stellen dürfte. Dabei geht es so vielversprechend los: Die ersten zwanzig Minuten dürfen wir mitfiebern, wie die frisch zur Hauptkommissarin beförderte Julia Grosz (Franziska Weisz) mit ihrem Kollegen Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und weiteren Bundespolizisten am Hafen und Flughafen eine Geldübergabe überwachen – ehe sich der verdeckte Ermittler Tarik (Ercan Karacayli, Sturm) und seine Kontaktperson Nicolai Timofejew (Jakub Gierszal) in einem Privatjet nach Zypern absetzen und über den Wolken plötzlich das Zeitliche segnen. Das Flugzeug explodiert.
Mit dem Knall am Himmel verpufft allerdings auch die Spannung und Grosz‘ letzte Hoffnung darauf, ihren Einsatz als leitende Ermittlerin mit Bravour zu meistern: Während die Wrackteile außerhalb unseres Blickfelds ins Meer stürzen, stürzt der 1164. Tatort in ein Spannungsloch, aus dem er sich nicht mehr zu befreien vermag.
Der prickelnde Outdoor-Thriller wandelt sich zum seelenlosen Indoor-Drama, das zu großen Teilen in der Hamburger Einsatzzentrale sowie in der Villa des russischen Waffenhändlers Victor Timofejew (Wladimir Tarasjanz, Investigativ) und seiner verbitterten Gattin Warwara (Jeanette Spassova) spielt, die einst mit seinem verstorbenen Bruder liiert war und nun auch noch den Tod ihres geliebten Sohnes verkraften muss.
TIMOFEJEW:
Es sind so viele Teile. Ich hab‘ die Bilder im Internet gesehen.
GROSZ:
Die Maschine ist aus großer Höhe aufs Meer geprallt.
TIMOFEJEW:
Ich meine nicht das Flugzeug. Ich meine die Toten.
Drehbücher, die vom organisierten Verbrechen und von Ermittlungen über Landesgrenzen hinaus erzählen, passen selten ins Whodunit-Korsett neunzigminütiger Krimis, ohne dass die Substanz auf der Strecke bleibt, und genauso ist es auch hier: Alles irgendwie eine Nummer zu groß. Wenn coronabedingt dann auch Action und Chaos, das zum Beispiel im Hamburger Tatort mit Til Schweiger und Fahri Yardim für manches Plothole entschädigt, auf der Strecke bleiben, entwickelt sich das Ganze fast zwangsläufig zu einer zähen Angelegenheit.
Auch die auf zwei Zeitebenen angelegte Kernhandlung um russische Waffenhändler und die abtrünnige Nichte bzw. Tochter Marija Timofejew (Tatiana Nekrasov, spielte auch unter Steins Regie in Borowski und das Haus am Meer), die Falke noch aus seiner Zeit beim LKA kennt, ist wenig originell: Einer undurchsichtigen alten Bekannten begegnete der Bundespolizist erst im enttäuschenden Vorgänger Tödliche Flut und dem Gebaren der Timofejews vermögen die Filmemacher wenig Reizvolles abzugewinnen, wenngleich nicht zu tief in die Klischeekiste und dafür zum Tolstoi-Roman gegriffen wird.
Von der tollen Jubiläumsdoppelfolge In der Familie (1) und In der Familie (2), die das mitreißende Drama und den elektrisierenden Mafia-Thrill im Herbst 2020 bei doppelter Spielzeit besser miteinander in Einklang brachte, ist der Tatort so weit entfernt wie die Elbe von der Wolga – die Figuren wirken schablonenhaft, ihre Manöver lassen kalt und auch der bleihaltige Showdown trägt nur noch wenig dazu bei, dass nach dem Abspann etwas hängen bliebe. Macht der Familie ist zwar ein Tatort, in dem viel passiert, aber man hat ihn trotzdem am nächsten Tag wieder vergessen.
Den Schauspielern ist dabei kein Vorwurf zu machen: Wotan Wilke Möhring und Franziska Weisz mühen sich nach Kräften und verbuchen starke Szenen für sich, sind letztlich aber Gefangene einer Story, die wenig aus den guten Ansätzen macht und ihren Figuren wenig Tiefe gestattet. Auch Grosz‘ verpatzte Feuertaufe läuft letztlich ins Leere, weil mit der unsympathischen Katija (Anja Taschenberg, spielte AUCH unter Steins Regie in Borowski und das Haus am Meer) noch eine dritte Ermittlerin in den Blickpunkt rückt, die im entscheidenden Moment einen Fehler begeht.
Nach der nebulösen und wenig interessanten Auflösung des Mordfalls steht dann noch die Frage, ob Falke zukünftig ohne seinen auszugswilligen Sohn Torben (Levin Liam) auskommen muss. Aber selbst das Privatleben des Kommissars lässt uns in diesem Krimi kalt.
Leider werden in vielen Filmen, wie auch wieder im Tatort, die Rollen der Russen sehr klischeehaft dargestellt. Russisch und Deutsch werden ständig genutzt und das öfters in einem Satz. Der Russe (auch als Verbrecher ist er natürlich ein Kunstkenner, der lange Zitate russischer Autoren auswendig kann), ist musikalisch, spielt Klavier und singt gekonnt Volks -oder klassische Lieder.
Um mich nicht einen ganzen Abend zu ärgern, hab ich abgeschaltet. Schade, dass die Regisseure den Schauspielern nichts Besseres zu bieten haben.
Ich warte jeden Sonntag darauf, dass im Tatort "gekotzt" wird. Und jedesmal werde ich nicht enttäuscht! Kann mir jemand erklären, warum jeder Regisseur dieses unappetitliche Geschehen in den Film einbauen muss? Jedesmal….
Ein Tatort zum Abgewöhnen, inhaltlich gesehen. Herrn Möhrings Sätze sind akustisch zum Teil nicht verständlich. Eingeschaltete Untertitelung erleichtert das Verstehen der Sätze. Ein Gefühl inhaltlicher Leere zum Filmende bleibt.
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