Folge: 1088 | 17. März 2019 | Sender: WDR | Regie: Matthias Tiefenbacher
Bild: WDR/Thomas Kost |
Nadeshdalos.
Denn Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) müssen in Spieglein, Spieglein erstmalig ohne die in Erkläre Chimäre zur Kommissarin beförderte Nadeshda Krusenstern (Friederike Kempter) auskommen: Aufgrund von Kempters Babypause springt Aushilfskommissar Mirko Schrader (Björn Meyer, Borowski und das dunkle Netz) ein. Doch weht deshalb frischer Wind durch die beliebteste deutsche Tatort-Stadt?
Weit gefehlt: Der WDR lässt bei seinen populären Krimikomödien aus Westfalen nichts anbrennen und überlässt die Experimente lieber anderen Sendern. Zu beliebt sind die stets ähnlich ablaufenden Schmunzelgeschichten, zu eingespielt die Mechanismen zwischen den Figuren – und zu festgelegt ist die Erwartungshaltung des Publikums, das in Spieglein, Spieglein genau das Erhoffte serviert bekommt.
Regisseur Matthias Tiefenbacher (Herrenabend) und Drehbuchautor Benjamin Hessler (Treibjagd) reduzieren „den Neuen“ nur auf eine nennenswerte Eigenschaft: Er kann hervorragend Kaffee kochen. Wie originell.
Hatte sich Krusenstern in den letzten Jahren zunehmend von Assistenztätigkeiten emanzipiert und häufig an Thiels Seite ermittelt, springt dort nicht etwa Schrader, sondern Boerne ein – dessen Assistentin Silke „Alberich“ Haller (Christine Urspruch) und Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) hingegen fungieren als reine Stichwortgeber für die mal mehr, mal weniger amüsanten Dialoge, die sich zum Beispiel aus Klemms zum x-ten Mal thematisierter Nikotinsucht generieren.
THIEL:
Dann haben Sie also draußen gesessen und geraucht?
KLEMM:Warum soll man sonst draußen sitzen?
Alles schon dutzende Male dagewesen, aber die Fans wird es nicht stören – ebenso wenig wie die Tatsache, dass Boerne Rechtsmediziner ist und bei der Vernehmung von Verdächtigen oder SEK-Einsätzen eigentlich nicht das Geringste verloren hat.
Durchaus überraschend aber: Selbst Thiel scheint im 1088. Tatort kein Problem damit zu haben, dass Boerne seine Autorität untergräbt und ihn wie selbstverständlich zu Außeneinsätzen begleitet. Fest zum Erfolgsrezept der Folgen aus Münster zählen schließlich die bissigen Frotzeleien den beiden – und ob die nun in der Leichenhalle, im Archiv des Präsidiums oder bei einer Stippvisite in der Haftanstalt vorgetragen werden, ist ja eigentlich zweitrangig.
Dementsprechend absurd fällt die Rahmenhandlung aus, die einmal mehr dazu dient, die erfolgserprobten Versatzstücke halbwegs plausibel aneinanderzureihen: In Spieglein, Spieglein nutzen die Filmemacher das in Kino und Fernsehen häufig genutzte Doppelgängermotiv (zum Beispiel in The Double oder Der talentierte Mr. Ripley), bei dem der Reihe nach optische Ebenbilder von Klemm, Alberich und Herbert „Vaddern“ Thiel (Claus Dieter Clausnitzer) das Zeitliche segnen müssen. Eine Idee, aus der man viel hätte machen können – das Mordmotiv wirkt allerdings mehr als konstruiert und scheint allein dem Zwang zu unterliegen, den Fall am Ende in irgendeiner Auflösung gipfeln lassen zu müssen.
Während bei den ersten drei Leichen zusätzliche Schauspieler zum Einsatz kommen, dürfen die beiden Stars im Tatort aus Münster ihre Doppelgänger natürlich selbst spielen, geben dabei aber ein unterschiedliches Bild ab: Während Axel Prahl mit aufgeklebtem Schnurrbart und albernem Hut der Lächerlichkeit preisgegeben wird und nicht halb so authentisch wirkt wie als brummiger Kommissar, zählt Jan Josef Liefers‘ Auftritt bei Boernes vermeintlicher Begegnung mit sich selbst zu den besseren Sequenzen in diesem durchaus kurzweiligen Verwirrspiel.
Auch Klamauk und Slapstick sind (anders als im ebenfalls von Matthias Tiefenbacher inszenierten Das Wunder von Wolbeck oder im enttäuschen Krankenhauskrimi Mord ist die beste Medizin) nicht überdosiert – wer allerdings im Hinblick auf den tatverdächtigen Fahrkartenkontrolleur Markus Timoschek (Ronald Kukulies, Borowski und das Fest des Nordens), den kurz vor der Entlassung stehen Knacki Sascha Kröger (Arnd Klawitter, Auge um Auge) oder die für die Kfz-Zulassungsstelle tätige Birgit Brückner (Kathrin Angerer, Wahre Liebe) so etwas wie tiefergehende Charakterzeichnung erwartet, ist schief gewickelt.
Sämtliche Nebenfiguren sind Variablen eines Drehbuchs, das sich allein um Thiel und Boerne dreht – fast so, wie bei den beiden berühmten Figuren aus der Sesamstraße, die sogar wörtlich zitiert werden.
THIEL:
Gute Nacht, Bert.BOERNE:Gute Nacht, Ernie.
Rezension der vorherigen Folge: Kritik zum Tatort „Für immer und dich“
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