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Seenot

Folge: 692 | 24. März 2008 | Sender: SWR | Regie: René Heisig

Bild: SWR/Stephanie Schweigert

So war der Tatort:

Nautisch.

Denn Seenot spielt nicht nur an Land, sondern zu großen Teilen auch auf dem Wasser – genauer gesagt in kleinen Motorbooten und teuren Yachten auf dem schönen Bodensee, der im Norden an den Garten der allein lebenden Hauptkommissarin Klara Blum (Eva Mattes) grenzt und im Süden an die Schweiz.

Die Eidgenossen haben in diesem Krimi aus Konstanz ein gewichtiges Wörtchen bei den grenzüberschreitenden Ermittlungen mitzusprechen: Seenot ist der erste Tatort mit dem Thurgauer Seepolizisten Reto Flückiger (Stefan Gubser, Time-Out), der in Der Polizistinnenmörder und Der schöne Schein noch zwei weitere Gastspiele gibt, ehe er 2011 in Wunschdenken seinen Dienst als „echter“ Tatort-Kommissar in Luzern antritt und ihn 2019 nach acht durchwachsenen Jahren in Der Elefant im Raum wieder quittiert.

Weil der Schweizer Werftbesitzer Urs Stähli (Daniel Rohr, Skalpell) an Bord seiner Yacht erschlagen wurde und diese praktisch vor Blums Gartentor gespült wurde, sind sowohl die Thurgauer Seepolizei als auch die Konstanzer Kripo zuständig – und die kann Verstärkung auch durchaus gebrauchen. Oberkommissar Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) liegt anfangs nämlich mit einem Brummschädel flach – aus akutem Liebeskummer hat er sich mit dem Rotwein seiner Chefin betrunken, während diese in ihrem Wohnzimmer tapfer daneben saß.


PERLMANN:
Ich langweil‘ Sie, oder? Nur, weil Sie das ganze Thema schon durchhaben. Liebe und so.

BLUM:
Wenn du jetzt nüchtern wärst, würde ich dir den Arsch versohlen.

Die erstmalige – und auf Anhieb sehr herzliche – Begegnung der verwitweten Klara Blum und des charmanten Junggesellen Reto Flückiger, die sich vorläufig in der gleichen seltsamen Duz-Siez-Kombination ansprechen wie Blum und Perlmann, ist aber auch schon das Erinnerungswürdigste an der 692. Tatort-Folge, die bei weitem nicht zu den stärksten Beiträgen aus Konstanz zählt.

Nach der etwas unübersichtlich arrangierten, aber reizvollen Ouvertüre auf dem nächtlichen Bodensee, bei der der mutmaßliche Drogenschmuggler Stähli von Flückiger und seinem jüngeren Schweizer Kollegen Marcel Steiner (Ralph Gassmann) kontrolliert wird, steht der Hauptverdächtige nämlich schnell fest: Steiner, der in Der Polizistinnenmörder und Der schöne Schein erneut mit von der Partie sein wird, hat sich den Kampf gegen den Drogenschmuggel auf die Fahnen geschrieben und auf eigene Faust Nachforschungen über das Opfer angestellt, die weit über das Dienstliche hinausgingen.

Wer sich im Tatort dermaßen als möglicher Mörder aufdrängt und dann auch noch untertaucht, ist in der Krimireihe am Ende fast immer unschuldig – diese Vorhersehbarkeit im Hinblick auf die Auflösung wird durch das Manko verstärkt, dass Drehbuchautorin Dorothee Schön (Sterben für die Erben) nach einer guten halben Stunde einen Hinweis auf den wahren Täter platziert und Regisseur René Heisig (Unter Kontrolle) diesen so überdeutlich in Szene setzt, dass wohl auch der schlafmützigste Zuschauer ab diesem Moment ahnen dürfte, wo der Hase lang läuft. Dennoch geht es bis in die Schlussphase fast ausschließlich um Steiner, dessen Eltern einst von einem Junkie getötet wurden. Für die Spannung ist das pures Gift, denn was kümmert einen schon sein Aufenthaltsort, wenn er als Mörder ohnehin nicht wirklich infrage kommt.

Der starke Fokus auf den jungen Seepolizisten führt außerdem dazu, dass die anderen Figuren in diesem Tatort zu kurz kommen: Über Stählis Witwe Beate (Johanna Klante, Am Ende der Welt) erfahren wir praktisch nur, dass sie ein kleines Kind nun allein großziehen muss, über Kurt Weingarten (Hinnerk Schönemann, Franziska) praktisch nur, dass er Stählis Mitarbeiter ist. Darüber hinaus werden den beiden auffallend schlechte Dialogzeilen in den Mund gelegt – in Kombination mit Klantes Overacting ist das stellenweise eine Kombination zum Fremdschämen. Auch der zwischenzeitlich aufkeimende Verdacht, Reto Flückiger selbst könne Dreck am Stecken haben, verpufft als Nebelkerze ohne Effekt.

Zumindest dynamisch arrangiert ist aber der Showdown, bei dem das Publikum um das Leben von Kai Perlmann zittern darf – wer allerdings glaubt, in Seenot fände am Ende eine Wachablösung an der Seite von Klara Blum statt, ist natürlich schief gewickelt. Im Präsidium geht trotz der Zusammenarbeit mit den Schweizer Kollegen nämlich alles seinen gewohnten Gang: Assistentin Annika „Beckchen“ Beck (Justine Hauer) flirtet unbeholfen mit Perlmann und stellt der Chefin binnen Sekunden einen Kaffee hin, wenn diese danach verlangt.

Blum nimmt ihn, Blum trinkt ihn, aber bedanken tut Blum sich nicht.

Bewertung: 4/10


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