Bild: WDR/Sandra Stein

Colonius

Folge 1295

9. März 2025

Sender: WDR

Regie: Charlotte Rolfes

Drehbuch: Eva Zahn, Volker A. Zahn

So war der Tatort:

Reich an Erinnerungen – aber arm an Locations.

Dabei entführt uns Colonius sogar an einen der spektakulärsten Schauplätze in der über 50-jährigen Geschichte der Krimireihe: auf den gleichnamigen Kölner Fernmeldeturm, den 2025 vor allem die Telekom nutzt. In den 90ern hingegen wurden hier noch wilde Techno-Parties gefeiert. Während Ballauf zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Domstadt weilte, war Schenk als junger Polizist für den KDD im Einsatz – und zufälligerweise auch an genau dem Abend und Ort im Einsatz, um den sich in diesem Tatort alles dreht.

Das Drehbuchduo Eva und Volker A. Zahn, das unter anderem für die Kölner Folgen Siebte Etage, Hubertys Rache und Abbruchkante verantwortlich zeichnet, nimmt uns über einen Mordfall in der Gegenwart mit auf eine ausgedehnte Zeitreise ins Jahr 1993: Der Fotograf Alex Schmitz (Sven Gerhardt, als Teenager: Gustav Schmidt, Neugeboren) liegt heute tot in seiner Wohnung und versorgte während der Blütezeit von Marusha, Westbam & Co. seine feierfreudigen Freunde Christian (Joshua Hupfauer), Gina (Emma Bading, Das Muli), Meike (Sinje Irslinger, Hundstage) und Renè (Sebastian Schneider) mit Drogen. Die junge Mutter Gina verschwand damals unter merkwürdigen Umständen nach einer Techno-Party. Liegt der Schlüssel zur Auflösung des Mordfalls in ihrem Verschwinden?

Es sieht danach aus, denn andere Nachforschungen stellen Ballauf und Schenk, die von Norbert Jütte (Roland Riebeling), der techno-affinen SpuSi-Leiterin Melanie Förster (Tinka Fürst) und Rechtsmediziner Dr. Roth (Joe Bausch) unterstützt werden, gar nicht an: Der Browserverlauf des Opfers führt zur inzwischen 30 Jahre gealterten Restclique um Christian Kohlheim (Thomas Loibl, Die Pfalz von oben), Meike Bennis (Karoline Eichhorn, Und immer gewinnt die Nacht) und Renè Horvath (Andreas Pietschmann, Das Opfer), die alle ins Präsidium zitiert werden und es für Stunden nicht mehr verlassen dürfen. Entsprechend eintönig fühlt Colonius sich an: Abgesehen von der einleitenden Stippvisite in der Wohnung des Toten und einer Autofahrt kurz vorm Abspann spielt der Tatort ausschließlich in und zu Fuße des Fernmeldeturms und im Präsidium, in dem gerade Handwerker werkeln.

So weit, so überschaubar – einen wirklichen Mehrwert generieren die Filmschaffenden um Regisseurin Charlotte Rolfes (Pyramide) aus der berühmten Location allerdings nicht. Wenig würde sich ändern, hätte die folgenschwere Party einfach in einem x-beliebigen Nachtclub stattgefunden – darüber können die prachtvollen Aufnahmen des Turms, ein verhütungsloser Quickie mit Aussicht und die zahlreichen Kamerafahrten zur Spitze des nadelartigen Gebäudes nicht hinwegtäuschen. Die spärliche Setting-Variation ist es allerdings nicht, die Colonius zu einem überraschend enttäuschenden Tatort macht.

Es sind vor allem die flache Spannungskurve und die mangelhafte Glaubwürdigkeit: Neben Schenk, der noch bemerkenswert präzise im Kopf hat, was damals geschah, erinnern sich auch die Feiernden praktisch an jedes Detail. Man könnte fast meinen, die Party hätte erst vor wenigen Tagen stattgefunden. Im Präsidium bleiben die Verdächtigen ohne anwaltlichen Beistand, bereitwillig, stundenlang, trotz Terminen. Und dass überhaupt noch etwas Neues zum Vermisstenfall ermittelt werden kann, liegt vor allem daran, dass die Polizei 1993 einen wirklich miserablen Job gemacht und zahlreiche Dinge übersehen hat – inklusive einer Leiche. Dennoch stoßen Ballauf und Schenk an ihre Grenzen.


BALLAUF:
Mann, Freddy. Wir sind doch nicht von der Moralpolizei.

SCHENK:
Das sind alles Arschlöcher, Max. Und einer von denen hat Alex Schmitz umgebracht. Oder alle zusammen. Wir setzen die jetzt unter Druck. Die wissen doch gar nicht, was wir wissen.

Im 1295. Tatort ergibt sich das Meiste aus Streitereien, die bisweilen auf Daily-Soap-Niveau ausgefochten werden: Da kriegen sich Meike, René, Christian und dessen Tochter Svenja Kohlheim (Vanessa Loibl) vor den Augen von Ballauf, Jütte und Schenk nicht nur verbal in die Haare, sondern prügeln sich sogar in Zeitlupe durchs Präsidium. Während Freddy ein deftiges Veilchen kassiert, bringt Jütte geistesgegenwärtig seinen Monitor in Sicherheit – und wir sitzen da und wissen nicht, was wir mit dieser seltsamen Sequenz anfangen sollen. Der heitere Erzählton, den im Präsidium ein eher zu Slapstick passender Klangteppich verstärkt, konterkariert die Geschichte in ihrer eigentlichen Tragik bisweilen kolossal.

Während sich der Film durch einen Reigen an Rückblenden hangelt und etwa viel zu lange mit der Frage beschäftigt, wer Gina wann und warum ihren Zopf abschnitt, rückt die Auflösung, wer den Fotografen ermordet hat, bis kurz vor Schluss in den Hintergrund. Das ist oft zäh und manchmal sogar unfreiwillig komisch. Die Freunde von damals, die lieber „private parties“ in muffigen Kellerräumen feiern, statt einfach in den nächsten Club weiterzuziehen, sehen auch nicht aus wie junge Menschen in den 90ern, sondern wie Menschen, die aussehen sollen wie Menschen in den 90ern. Und dann ist da noch das an den Froschregen im Hollywood-Film Magnolia angelehnte, surreale Ende (das wir hier erläutern): Es erinnert auch an den umstrittenen Frankfurter Tatort Erbarmen. Zu spät., hievt den Tatort aber nicht mehr ins solide Mittelmaß.

Bewertung: 4/10


Kommentare

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18 Antworten zu „Colonius“

  1. Avatar von Hubert D

    Ich fand diesen Tatort sehr gut.
    Interessante Geschichte und spannend.
    Auch die Schauspieler fand ich „Top“.

  2. Ich kann nicht verstehen, dass man einerseits jeden Schwachsinn von Murot lobt hoch, andererseits man nicht akzeptiert, dass eine Tatort Episode als Kammerspiel inszeniert wird (mit Stau ist das einmal hervorragend gelungen).
    Kommt man damit zurecht, war diese Folge nicht so schlecht wie die Kritik behauptet, eine 7 oder 8 war sie Wert.

  3. Joa, 4/10 trifft es ziemlich genau.

  4. Avatar von Renate Maria
    Renate Maria

    langatmig um 90 Minuten irgedwie austzfüllen, kann weg

  5. Avatar von Nippert Sandra
    Nippert Sandra

    Wie konnte das Kind geboren werden, wenn die Mutter in der 12. Schwangerschaftswoche verstorben war und die Leiche jahrelang im Aufzugsschacht lag? Wie kam das Kind denn zur Welt? Krabbelte es alleine aus dem Aufzugsschacht heraus? Bin darüber sehr verärgert,dass keiner soweit dachte. Fand den Tatort dadurch miserabel

    1. Das Kind war 12 Wochen alt

    2. Meine Erklärung: Das Kind war bei der Party schon geboren – der Sex auf dem Dach fand schon lange vorher statt.
      Allerdings habe ich auch nicht verstanden, warum Gina anfangs behauptet hat, nie auf dem Dach gewesen zu sein.

  6. Avatar von Macadoli

    Boah! So überflüssig Handwerkerlärm einzubauen. Echt jetzt!! Die Kölner gehören sonst zu den Wenigen, bei denen der Ton stimmt. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen!, dass eine Leiche in einem Diskoschacht nicht entdeckt wird. In Deutschland ist es Vorschrift dass öffentliche Einrichtungen regelmäßig gewartet werden.

  7. Avatar von Petra Sauerwald
    Petra Sauerwald

    Dieser Tatort war spitze, verstehe die Kritik nicht. Spannend, teilweise amüsant, ich liebe die drei!

  8. Tatsächlich ist mir der Whodunit Tatort extrem positiv aufgefallen. Die Geschichte ist für mich sehr gut erzählt worden. Dass ein Tatort kritisiert wird, weil keiner nach einem Anwalt gerufen hat, kann ich nicht verstehen. Gerade in der Welt dieser Protagonisten war so viel Verstrickung, dass man durchaus glauben konnte, dass diese Clique sich so verhalten hätte. Sei es, weil glaubten, sich blöd steleln reicht, sei es weil sie unbewusst vielleicht einer Aufklärung nicht mehr ausweichen wollten oder einfach gegenüber einander so tun wollten, als ginge sie alles nichts an. Mir erscheint die Kritik reichlich an den Haaren herbeigezogen. Ich habe es genossen, dass hier nicht mit Ekel- oder Gewaltmomenten kokettiert wurde, sondern gut erzählt wurde. Die Story mit dem Zopf war eine Superidee, um letztlich die Tat zu rekonstruieren. Richtig gut. Der Sprung in die Vergangenheit ist mit der Freischaltung dieses Fernsehturms für diesen Film gut gelungen, man konnte in die Zeit eintauchen. Intro Aufnahme auch sehr gut überlegt. Die Prügelszene im Revier war Weltklasse, der Kollege mit dem Bildschirm in der Hand, danke dafür, habe sehr gelacht. Tatsächlich war auch diese Szene mein Highlight.

  9. Avatar von MacAndrew
    MacAndrew

    Grundsätzlich fand ich die Story interessant, die Beschreibung von Jugendsünden, Verantwortung, Schuld, Kontrollverlust und Gewissen und Schicksal. Auch der Gedanke an Lost Places oder Orte, an denen etwas in der Vergangenheit passiert ist, was bis in die Gegenwart hinein reicht. Und die Frage: wäre ich auch in Gefahr gewesen, derartige Dummheiten zu begehen und wenn nein, warum nicht?

  10. Avatar von Macadoli
    Macadoli

    Boah. So überflüssig Handwerkerlärm einzubauen. Die Kölner gehören sonst zu den wenigen, bei denen der Ton stimmt! Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass eine Leiche in einem Diskoschacht nicht entdeckt wird. In Deutschland ist es Vorschrift, öffentliche Einrichtungen regelmäßig zu warten.

    1. Avatar von MacAndrew
      MacAndrew

      Es ist halt ein Film. Nicht alles kann stimmig sein. Und es gibt zwar Vorschriften, aber nicht immer werden sie befolgt.

  11. Was sollte das denn sein???

  12. Avatar von

    Nichtmal Mittelmaß. Tatort war eine Institution, kein Wochenende ohne einen soliden Krimi. Und jetzt nur noch Murks. Tu ich mir nicht mehr an.

  13. Avatar von Markus Schroeder
    Markus Schroeder

    Ich fand die Prügelei im Präsidium witzig, vor allem wie Jütte seinen Monitor rettet. Die ganze Handlung war etwas flach, aber gottseiDank kein übersponnener Psycho- Tatort.

    Ich konnte gut abschalten, 8 von 10.
    🙂

  14. Avatar von Karl Müller
    Karl Müller

    Schlecht recherchiert
    Tatjahr 1993 – Lied das auf der TechnoParty läuft Sunbeam – Outside World von 1997

  15. Avatar von Kurt Binder
    Kurt Binder

    Norbert sollte man schleunigst aus den Tatort entfernen!

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