Eng verknüpft mit dem grandiosen und ähnlich colorierten Wiener Tatort
Her mit der Marie! von 2018 – und daher für Gelegenheitszuschauer und all jene, die sich nicht mehr an den bis dato letzten Tatort-Auftritt des sympathischen Inkasso-Heinzi (Simon Schwarz) erinnern können, inhaltlich kaum in Gänze zu durchdringen. Negativ ins Gewicht fällt das allerdings kaum: Bei den meisten Zuschauern dürfte die Freude darüber, dass der 2018 knapp mit dem Leben davon gekommene, weitestgehend geläuterte Kult-Strizzi überhaupt wieder mit von der Partie ist, klar überwiegen.
Mögliche Erinnerungslücken an die Rachegelüste der einflussreichen Gangsterwitwe Maria Gavric (Ines Miro), die Heinzi in
Alles was Recht ist über ihre Schergen im Knast ans Leder will, werden geräuschlos überbrückt, und eine scherzhafte Anspielung auf
Her mit der Marie! erlauben sich die Drehbuchautoren Karin Lomot und Robert Buchschwenter auch: In zwei ihrer wichtigsten Figuren finden die damaligen Drehbuchautoren Thomas Weingartner und Stefan Hafner ihre Entsprechung – nur mit vertauschten Vor- und Nachnamen.
Lomot und Buchschwentner, die zuletzt den Fitnesskrimi
Pumpen konzipierten, servieren Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) im starken Prolog einen Doppelmord: Der penible und erzkonservative Finanzbeamte Stefan Weingartner (Johannes Zeiler,
Paradies) ersticht seine Ehefrau Irene (Eva Maria Marold) und deren beste Freundin, weil seine Gattin ihn mit ihrem Fitnesstrainer betrogen und beim Sekt damit geprahlt hat – und lässt sich ohne Widerstand am Tatort verhaften.
Was dann passiert, mutet zunächst an wie manch anderes Justizdrama aus der Krimireihe (vgl.
Nie wieder frei sein oder
Eine Frage des Gewissens) und droht in billiges, im Tatort leider häufig zu beobachtendes Juristenbashing abzudriften: Mit dem ebenso gewieften wie überzeichneten Rechtsanwalt Thomas Hafner (Julian Loidl) erkämpft ein arroganter Klischee-Advokat einen Freispruch für seinen offensichtlich schuldigen Mandanten – was Eisner im Gerichtssaal zu Beleidigungen und später zu eben jener Brandrede veranlasst, der dieser Krimi seinen Titel verdankt.
EISNER:
Weißt du, was ich dir sag? Leute wie dieser Hafner gehören aus dem Verkehr gezogen. Alles, was Recht ist!
Diese Sequenz markiert nach einer knappen halben Stunde zugleich den wichtigsten Wendepunkt des Krimis, mit dem das Bashing ein erfreulich frühes Ende findet: Hafner wird erschossen und Weingartner ist spurlos verschwunden. Weil er kein Mordmotiv mitbringt, ermitteln Eisner und Fellner, die von ihrer emsigen Kollegin Meret Schande (Christina Scherrer) unterstützt werden, in alle Richtungen: Der 1195. Tatort wandelt sich zum Whodunit der alten Schule und folgt den erfolgreichen Mustern, die es in seiner über 50-jährigen Geschichte schon häufig zu sehen gab.
Eisner und Fellner hören sich routiniert im familiären Umfeld von Weingartner um, genauer gesagt bei seiner Tochter Johanna (Noemi Krausz) und ihrem Freund Paul Tuxer (Morteza Tavakoli,
Baum der Erlösung), nehmen uns mit Zwischenfazits an die Hand und klopfen in seiner beruflichen Umgebung auf den Busch – hier in Person der loyalen Sekretärin Katja Berger (Doris Schretzmayer,
Inferno). Die im Wiener Tatort obligatorische, diesmal recht harmlose Auseinandersetzung mit dem Vorgesetzten Ernst Rauter (Hubert Kramar) darf natürlich auch nicht fehlen.
Wirklich spannend ist das selten, aber stets kurzweilig: Die urkomischen Begegnungen mit dem bandagierten Inkasso-Heinzi sind allein schon das Einschalten wert – Eisner und Fellner hingegen liefern sich köstliche Streitereien, die darin gipfeln, dass sie den Imbisswirt des Würstelstands, dem Wiener Tatort-Pendant zur Kölner Wurstbraterei, grundlos zusammenstauchen. Weil ein Motiv, das 2021 bereits im Kölner Tatort
Reiz des Bösen und im Kieler Tatort
Borowski und der gute Mensch ausgiebig behandelt wurde, erneut strapaziert wird, ist die Auflösung des Mordfalls aber recht vorhersehbar – die Wendung auf der Zielgeraden bietet dafür noch düstere
Misery-Momente, die dem eher heiteren Tatort gut zu Gesicht stehen.
Unterm Strich wirkt der Krimi unter Regie von Gerald Liegel aber etwas zerfasert, personell überladen und von Zufällen geprägt – und ausgerechnet aus der hochinteressanten Figur des Finanzbeamten Weingartner vermögen die Filmemacher wenig herauszuholen. Nach dem tollen Auftakt taucht sie lange Zeit nicht mehr auf. Für die Ermittler gilt das freilich nicht, und da sind noch zwei Sequenzen, die
Alles was Recht ist zu einem sehr wichtigen Eisner-und-Fellner-Film machen: Zum einen erfahren wir, warum Fellner eine so unerschütterliche Freundschaft mit Heinzi verbindet – und zum anderen gewährt Eisner tiefe Einblicke in sein Seelenleben. Diese menschlichen Momente lassen nicht kalt – und sind so viel weniger kitschig erzählt, als es einen Sonntag zuvor im überschätzten Kölner Tatort
Hubertys Rache zu beobachten war.
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