Folge: 1249 | 5. November 2023 | Sender: MDR | Regie: Lena Stahl
Bild: MDR/MadeFor
So war der Tatort:
Inhaltlich nah am Tatort-Meilenstein Borowski und der stille Gast und stellenweise sogar ähnlich spannend – bei näherer Betrachtung aber doch eine ganze Ecke schwächer.
Es dauert allerdings eine Dreiviertelstunde, ehe Was ihr nicht seht den Kieler Kurs einschlägt und sich unter Regie von Tatort-Debütantin Lena Stahl zum fiebrigen Serientäter-Thriller wandelt. Der Film startet als Filmriss-Whodunit, bei dem sich eine Person als Täterin aufdrängt: Sarah Monet (Deniz Orta, Tiere der Großstadt), die passend zu ihrem Nachnamen in einer Kunstgalerie arbeitet, wacht morgens blutüberströmt neben ihrem toten Freund David Konradt (Frederik Bechtle) auf. Sie kann sich nicht daran erinnern, ihn getötet zu haben. Und auch an sonst niemanden, der die Wohnung betreten und ihrem Partner den Garaus gemacht haben könnte. Der dringend Tatverdächtigen wurden K.O.-Tropfen verabreicht, die ihre Erinnerung ausgelöscht haben.
Der Zufall und das Drehbuchautorentrio um Lena Stahl sowie Peter Dommaschk und Ralf Leuther, die 2010 bereits den Kölner Tatort Kaltes Herz konzipierten, wollen es, dass Monet der geschockten Oberkommissarin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) bestens bekannt ist: Die potenzielle Mörderin war einst mit Winklers verstorbenem Bruder liiert. Im Jahr 2023 sind persönliche Verwicklungen der Krimireihe längst keine Ausnahme mehr (vgl. Lenas Tante oder Hochamt für Toni); der Brisanz und Charakterzeichnung ist das immer dienlich. Der Glaubwürdigkeit aber nicht.
So auch hier: Befangenheit wird wieder kleingeschrieben. Nach der obligatorisch-deftigen Standpauke von Kripochef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) ermittelt Winkler weiter – nur eben inoffiziell hinter dem Rücken Schnabels und ihrer Partnerin Karin Gorniak (Karin Hanczewski), die das Ganze ohnehin nicht so eng sieht und telefonisch Kontakt hält. Weil der neue Staatsanwalt Jakob Klasen (Timur Isik, Schutzmaßnahmen) Druck macht und Schnabel nicht den Kopf hinhalten will, herrscht im Präsidium dicke Luft. Da kann man im Eifer des Gefechts mit dem Siezen und Duzen schon mal durcheinanderkommen.
SCHNABEL:
Sie kennen sie, Winkler? Wann bitte wollten Sie mir das sagen?
WINKLER:
Das spielt doch keine Rolle.
SCHNABEL:
Sag mal, spinnst du?
WINKLER:
Wie redest denn du mit mir?
SCHNABEL: Sie können nicht ermitteln, wenn Sie die kennen. Ist das ’ne Freundin, oder was?
WINKLER:
Sie war früher mit meinem Bruder zusammen.
SCHNABEL: Sie sind raus.
WINKLER:
Das können Sie nicht machen.
Monets angeknackste Psyche, ihre mit Horror-Anleihen gespickten Flashbacks und Winklers Betroffenheit dominieren die erste Filmhälfte. Alles sehr stimmungsvoll und mitreißend arrangiert, so sind wir es vom oft so düsteren Tatort aus Dresden gewöhnt (vgl. Parasomnia oder Katz und Maus). Aber bisweilen auch etwas plump: Die schrillen Jump Scares verfehlen ihre Wirkung nicht, verpuffen aber ohne verstörenden Nachhall. Monet bleibt uns fremd, sie ist keine Sympathieträgerin, an deren Unschuld wir glauben.
Nach der eingangs erwähnten Dreiviertelstunde geben die Filmemacher dem 1249. Tatort dann eine neue Richtung. Plötzlich jagen Winkler & Co. einen Serientäter, der in die Wohnung ahnungsloser Frauen eindringt, sie betäubt und vergewaltigt. Kult-Killer Kai Korthals (Lars Eidinger, letztmalig zu sehen in Borowski und der gute Mensch) lässt grüßen: Besser gut kopiert, als schlecht selbst gemacht. Anschließend verschwindet der Täter, ohne Spuren zu hinterlassen – eine beunruhigende Vorstellung. Weil die Kamera seine Taten nur andeutet, setzt das Kopfkino ein. Besonders erschütternd ist die Aussage einer aufgelösten Geschädigten (überragend: Zoë Valks, Schattenkinder), die das Nachwirken der Tat an einer allergischen Reaktion im Intimbereich festmacht.
Aus Was ihr nicht seht hätte mit diesem elektrisierenden Thema und seiner steilen Spannungskurve ein denkwürdiger Hochkaräter der Krimireihe werden können – dafür fehlen aber Substanz und Raffinesse. Weil nach der ausschweifenden ersten Filmhälfte hinten raus keine Zeit bleibt, sich mit Motiv und Psyche des Täters zu beschäftigen, sparen die Filmemacher beides komplett aus und setzen auf fiebrigen Thrill, emotionsschwangere Zeitlupen und Erschrecker im Dunkeln. Das war schon im vielgelobten Psychothriller Das Nest ein Wermutstropfen und schmälert den starken Gesamteindruck schmerzlich. Der Täter ist einfach ein perfider und cleverer Vergewaltiger, der uns einen gehörigen Schrecken einjagen soll. So sehr er das tut, so schnell ist er wieder vergessen.
Die seit 2018 stetig größer gewordene Fangemeinde der Tatort-Folgen aus Sachsen kommt dennoch auf ihre Kosten – ein gewisser Abnutzungseffekt dieses Thrill-and-Style-over-Substance-Stils lässt sich aber kaum übersehen. Von zeitlosem Witz ist hingegen Schnabels Boomer-Sexismus, der seit seinem ersten Auftritt im Tatort Auf einen Schlag von 2016 fest zum Dresdner Konzept zählt. Herrlich.
SCHNABEL:
Entschuldigt, ich muss euch jemanden vorstellen: der neue Staatsanwalt, Herr Klasen. – Gorniak, Winkler: meine besten Männer.
Warum muss immer ein KommissarIn derart befangen sein? Warum sagt das Drehbuch, dass die Kommissarin die potentielle Täterin und das Opfer kennt? Ist doch abwegig. Und daraus resultierend diese Alleingänge…
War für mich ne solide 5,5 – ich wurde doch stark an der stille Gast erinnert, aber eben in nicht ausgereift und schlecht kopiert. Der Tatort blieb an vielen Stellen einfach zu blass.
7 Punkte sind zu viel, eher bei 4 – 5 weil so richtig spannend war der tatort nicht, die beiden Kommissarinen wurden sehr schwach dargestellt, als hätten sie keinen Durchblick aber besser als murot
Es war zwar nicht "die erste Sahne", aber doch endlich mal wieder ein guter Tatort mit "normalem" Verbrechen, beim dem man nicht nach 10 Minuten abschalten muß. Hoffentlich werden sich nehmen sich die anderen Produktionen Beispiel daran.
Meine Bewertung: 0 Punkte, da Thema verfehlt. Dieses ernste Thema gehört in eine Doku am Montag Abend um 20.15 mit anschließender Diskussion bei hart aber fair. Aber ein Tatort sollte doch ein Krimi sein, den man sich zur Entspannung am Sonntag Abend ansieht.
Zum Inhalt der Story: für mich an den Haaren herbeigezogen. Wieviele durchgeknallte Soziopathen besitzen wohl Maschinen zum Nachbau von Schlüsseln und arbeiten auch noch bei einem Kameras betreuenden Hausmeisterdienst? Ob das mit dem Nachbau nach einem Foto überhaupt so klappt, halte ich zumindest für zweifelhaft.
Und dann dieser klischeehafte stereotype Vergewaltiger, der dann von einem völlig verängstigten und überforderten Polizisten erschossen wird.
Und die Lösung des Falls: ein junger Mann wurde von seiner Freundin erstochen, vielleicht weil sie noch verwirrt war, vielleicht weil er sie betrogen hat. Ihr Verhalten nach der Tat kann auch dem Schock über ihre Tat zuzuschreiben sein. Schließlich war sie ja nicht so betäubt, wie die anderen Opfer. Das letzte Opfer war zum Beispiel nach der Tat wieder ziemlich klar. Und das ist ja auch das Perfide an KO Tropfen, dass sich die Opfer nicht mehr bewusst sind, dass überhaupt etwas passiert ist. Das passt für mich hier alles nicht zusammen. Es wurde ja auch erzählt, dass das „erste Opfer“ zu Gewalt neigt, z.B. gegenüber der Ärztin und der Geliebten ihres Freundes. Aber KOK Winkler weiß natürlich von Beginn an, wer hier schuldig ist.
Einfach unglaubwürdig, aber alles dem Sendungsbewusstsein des Filmes geschuldet…
oh man war der langweilig und immer so dunkel. Die Ermittler saßen nur im Dunklen. Hatte mir vorige Woche die Wiederholung von dem Tatort "Nemesis" angeschaut. Das totale Gegenteil. Da hat man mitgefiebert -> und alles im Hellen. 😉
Sehr guter Tatort. Die Dresdner werden jedesmal besser und sind inzwischen eine Garantier für einen guten Tatort. So wie man die Schweizer gar nicht erst anschauen braucht.
Uns hat's gefallen. Spannend genug für Sonntagabend und vor allem keine geistig gestörten Ermittler, andauernder Splitscreen und permanente Nachtaufnahmen.
Die Geschmäcker sind halt verschieden, aber gegenüber dem Schrott, der in den letzten Monaten kam, war das schon wieder mal, mit Dem von letzter Woche, ein guter Anfang. Die Sachsen können's. 7 von 10 ist okay – wir fanden den Tatort gut!!!
Er war nicht so schlecht wie so manch anderer. Echte Spannung kam für mich zu lange nicht wirklich auf. Brambach im Keller war prima. Ende schlussendlich überraschend.
Maaartin… Brambach war wieder gut! Endlich mal wieder einen TATORT bis zum Schluss angeschaut, auch wenn das Thema nicht wirklich neu… aber man kann nicht genug auf diesen Wahnsinn hinweisen… zum Glück nur 1x die schon erwähnte "bescheuerte" Musik – in einer sogenannten "In-Szene" – fürher auch Disco genannt. Gerne wieder mit diesem Team –
zwischen 7 bis 8 Sternchen 🙂
Ein spannender, teilweise verstörender Tatort – hervorragend gespielt und umgesetzt ! Da macht es wieder Laune den Tatort anzuschauen – nach langer Zeit endlich wieder ein Lichtblick !
Schlimmes Thema, aber sehr dürftig und mit offenen, unverständlichem Ende. Wieder ein Tatort der nicht ohne Dienstpflichtverletzungen und Schlampereien die ungeahndet bleiben auskommt. Man kann auch Drehbücher nicht ganz so realitätsfern und trotzdem spannend produzieren.
Sehr guter Film. Spannend, gute Schauspieler und eine Handlung die fesselt… aber auch sehr erschreckend ist! Ein Tatort, wie man ihn sich wünscht. Vielen Dank für diese gute Unterhaltung !
Dieser Meinung kann ich mich in jedem Punkt voll anschließen! Endlich nach grausamen Darbietungen in den letzten Monaten ein Tatort, der den Namen verdient hat…
Das kann sich seit langer Zeit mal wieder Tatort nennen. Spannend und keine durchgedrehten Kommissare. Gerne mehr davon. Manche Tatorte ignoriere ich ab jetzt einfach. Einfach pure Zeitverschwendung
Endlich mal wieder ein Tatort mit Handlung, Spannung und schauspielerischer Leistung. Der Schnabel hatte in dem Keller gestrichen die Hosen voll, das war grandios gespielt. Bis auf die teils bescheuerte Musik in dem Atelier, war ich mal wieder von Spannung gefesselt. P
Bravo…
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